Nicht erst die Bundestagswahl war geprägt von seltsam abgehobenen Versprechungen und Problemen, die eigentlich nicht die sind, die das Land wirklich plagen. Und im Landtagswahlkampf war es genauso. Auch das Gendern tauchte da auf, als wenn just dessen Abschaffung alle Probleme im Lande lösen würde. So klang das auch, als die neu ins Amt gekommene Justizministerin Constanze Geiert am 4. März die Überarbeitung einer Verwaltungsvorschrift verkündete, die das Gendern in Gesetzestexten wieder abschaffte. Mit einer ziemlich luftigen Begründung, wie Rico Gebhardt jetzt feststellen kann.

Das klang in der Pressemeldung des Justizministeriums vom 4. März dann so: „Vor allem wurden – zur deutlichen Entlastung der Rechtssetzung – die sächsischen Sonderregeln für eine geschlechtergerechte Gesetzessprache gestrichen. Diese zwangen bisher u. a. bei jeder Gesetzesänderung zur entsprechenden Umformulierung des gesamten Gesetzes, was dazu geführt hat, dass auf notwendige Gesetzesänderungen verzichtet wurde. Dieser enorme bürokratische Mehraufwand wird gestoppt. Der entstandene Normenstau kann nun abgebaut werden. Künftig sind in Sachsen nur noch die auch auf Bundesebene dafür geltenden Regeln anzuwenden, die insofern einen weiten Spielraum einräumen.“

Die überarbeitete „Verwaltungsvorschrift über den Erlass von Rechts- und Verwaltungsvorschriften (VwV Normerlass) verzichte künftig auf die seit 2020 üblichen ‚Sonderregeln für eine geschlechtergerechte Gesetzessprache‘. Aus Sicht der Justizministerin angeblich ein Schritt zu Bürokratieabbau, gegen Normenstau und für mehr Verständlichkeit.

In Wirklichkeit ist ein einziger Satz entfallen: „Die Rechtsnormen bringen die Gleichstellung von Frauen und Männern auch sprachlich zum Ausdruck, ohne jedoch die Verständlichkeit oder Klarheit des Rechtstextes zu beeinträchtigen.“

Der Verzicht auf genau diese – laut Geiert – „komplizierten Vorschriften“ ist sogar Teil der 100-Tage-Bilanz des Kretschmer-Kabinetts, wie der rechtspolitische Sprecher der Linksfraktion, Rico Gebhardt, feststellt.

Keine Belege für einen Normenstau

Aber er beließ es nicht bei der Feststellung und hat dazu bei der Staatsregierung nachgefragt (Drucksache 8/1861).

„Die Justizministerin hantiert mit Behauptungen, die sie nicht belegen kann. Angeblich hätte die Anwendung der ‚Sonderregeln‘ dazu geführt, dass bei jeder kleinen Gesetzesänderung immer das ganze Gesetz umgeschrieben werden muss – daher habe man bisher sogar ‚auf notwendige Gesetzesänderungen verzichtet‘. Doch auf meine Frage, welche Fälle das sein sollen, muss sie passen, stellt Gebhardt fest. Und zitiert: „Eine entsprechende Statistik wird nicht geführt.“

„Als Beispiele führt sie ein Gesetz und eine Verordnung (‚Sächsische Landesrettungsdienstplanverordnung‘) an, auf deren Erneuerung aber keineswegs verzichtet wurde. Ein ‚Zwang‘ zu komplizierten Umformulierungen bestand ohnehin nie. Die alte Verwaltungsvorschrift erlaubte es, auf geschlechtergerechte Formulierungen zu verzichten, falls tatsächlich die Verständlichkeit darunter leiden sollte, dass Frauen erwähnt werden“, kommentiert Gebhardt das Ausweichmanöver der Ministerin.

„Auch auf meine Frage zum angeblich entstandenen ‚Normenstau‘ hat die Justizministerin keine überzeugende Antwort: ‚Eine Statistik […] wird hier nicht geführt.‘ Als einziges Beispiel erwähnt sie eine Gesetzesnovelle, die sich in der Tat über mehrere Jahre hinzog und bei der geschlechtergerechte Formulierungen eingesetzt wurden. Allerdings war genau das eine der Zielstellungen der Novelle, bei der damals das Sächsische Nachbarrechtsgesetz und das Sächsische Richtergesetz erneuert wurden.

Ich bin mir nicht sicher, ob das schneller gegangen wäre, wenn man so getan hätte, als gäbe es keine Frauen. Denn auch die neue Verwaltungsvorschrift sieht unverändert vor, bei Gesetzesänderungen das gesamte betroffene Regelwerk zu überprüfen – jetzt nur nicht mehr in Bezug auf die Verwendung geschlechtergerechter Sprache.“

Gleichstellung der Geschlechter ist keine Bürokratie

Gefragt hat er sich trotzdem, ob die jeweilige Sprachregelung der Verständlichkeit dient.

„Beispielhaft führt die Justizministerin jeweils einzelne wirklich ungelenke Sätze aus verschiedenen Verordnungs- und Gesetzestexten an. Ich persönlich glaube aber nicht, dass diese Spezialregelungen verständlicher wären, wenn man so täte, als gäbe es Frauen nicht.

Dass ‚frauenfreie‘ Gesetze nicht verständlicher sind, zeigt ein aktuelles Vorhaben der Staatsregierung, das ‚Gesetz zum NOOTS-Staatsvertrag‘ (Drucksache 8/2286). Auch die VwV Normerlass selbst ist nicht Ausweis stilistischer Eleganz“, findet Gebhardt. Und betont: „Der Punkt ist: Die Gleichstellung der Geschlechter ist keine ‚Bürokratie‘, sondern ein Verfassungsgrundsatz.

Ihn auch sprachlich zum Ausdruck zu bringen, ist nicht unverständlich, sondern eine Selbstverständlichkeit. Statt sich echter Probleme anzunehmen – Stichwort: fehlende Richterinnen und Richter an sächsischen Verwaltungsgerichten – reitet die Justizministerin auf der rechtspopulistischen Welle gegen angebliche ‚Gendersprache‘. Die ist in sächsischen Gesetzen übrigens noch nie aufgetaucht – das habe ich vorsichtshalber auch gefragt.“

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