Zehn verletzte Menschen, 40 Personenkontrollen, acht beschädigte Straßenbahnscheiben. So lautet das bisherige Fazit der Polizeidirektion Leipzig nach einem stundenlangen Einsatz am Montagabend. Im Anschluss an eine pro-palästinensische Kundgebung hatten die Beamten eine Straßenbahn gestoppt, um fünf mutmaßliche Tatverdächtige zu identifizieren. Es kam zu Solidarisierungsaktionen und daraufhin zum Einsatz von Schlagstock und Pfefferspray.

Unter dem Motto „Stoppt den Völkermord an Palästinenser*innen!“ hatten am frühen Montagabend um die 120 Menschen erneut das anti-israelische Narrativ vom Genozid in Gaza auf die Straße getragen. Im Leipziger Osten hatte der Aufzug am Rabet begonnen und endete gegen 18:15 Uhr am Friedrich-List-Platz. Laut Polizei verlief die Demonstration „ohne wesentliche Störungen“.

Allerdings, so teilte die Polizei mit, habe man unter den Teilnehmenden „mehrere wiedererkannte, aber noch nicht identifizierte Personen“ festgestellt, „zu denen ein Anfangsverdacht wegen eines Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte während des Leipziger Demonstrationsgeschehens am 1. Mai 2025 bestand“. Während der Abreise sollten diese fünf mutmaßlichen Tatverdächtigen einer Identitätsfeststellung unterzogen werden.

Dazu stoppten die Einsatzkräfte die Straßenbahn der Linie 3, in der sie vermutet wurden, am Wintergartenhochhaus. Per Lautsprecherdurchsage wurden Unbeteiligte nun dazu aufgefordert, die Bahn zu verlassen. Nach Polizeiangaben verblieben etwa 50 Personen in der Straßenbahn, hakten sich unter und stellten sich gegen die Ordnungshüter.

Parallel dazu hatten Solidarisierungsaufrufe über 100 Menschen mobilisiert, die gegen 19 Uhr vor Ort eine Spontanversammlung anmeldeten. Nach Augenzeugenberichten zog die Polizei unter starker Gewaltanwendung immer wieder Personen aus der Bahn, wodurch die Situation draußen jedes Mal eskaliert sei. „Teilnehmende dieses Protestes versuchten immer wieder in Richtung der Bahn zu gelangen“, so die Polizeidirektion. „Der vor Ort handelnde Einsatzzug musste körperliche Gewalt, aber auch mehrfach Pfefferspray zur Abwehr einsetzen“.

Dabei ging dieser offenbar wenig zimperlich zu Werke. „Es wurde sehr viel gepfeffert, mindestens drei Personen waren bewusstlos, viele verletzt“, berichtet uns ein Augenzeuge. „In der Bahn waren zum Teil noch sehr junge Mädchen und auch die anderen teils über mehrere Stunden. Irgendwann hat jemand eine Scheibe der Bahn eingeschmissen, da sind einige von drinnen geflohen und die Polizei hat brutal gekloppt.“

Auch das Anwält*innenkollektiv Süd spricht von „massiver Polizeigewalt“. Die beiden vor Ort anwesenden Personen dieses Kollektivs nahmen überforderte Einsatzkräfte wahr, die wenig deeskalierend agierten. „Die ganze Situation hätte deutlich ruhiger ablaufen können“, bemängelten sie im Gespräch mit der LZ.

Beide seien zudem, trotz dass sie sich als Mitarbeitende des Anwält*innenkollektivs erkennbar machten, von der Polizei attackiert worden. Während eine Person beim Leisten von Sanitäter-Diensten mit Pfefferspray angegriffen wurde, steckte die zweite Person sogar Schläge von mehreren Beamten ein. Ein Grund dafür sei nicht benannt worden. „Wir werden Strafanzeige erstatten“, kündigten die Anwält*innen an.

„Es machte sich am Einsatzort eine medizinische Betreuung von insgesamt zehn Personen durch den Rettungsdienst erforderlich“, so die Polizeimeldung. „Ein Großteil klagte über Augenreizungen aufgrund des Pfeffersprayeinsatzes. Zwei weibliche Personen mussten zur medizinischen Behandlung in Krankenhäuser gebracht werden“.

Über 40 Personen wurden an diesem Abend von der Polizei kontrolliert, was sich bis Mitternacht hinzog. Ob sich unter ihnen auch die eigentlich gesuchten Fünf befanden, konnte uns die Polizei bisher noch nicht sagen. Es werden Ermittlungen geführt „wegen des Verdachts des schweren Landfriedensbruchs, des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte sowie weiterer Straftaten“.

Die Höhe des Sachschadens, der beispielsweise durch die acht eingeschlagenen Scheiben der Straßenbahn und eines Fahrzeugs der Polizeibehörde entstanden ist, konnte noch nicht beziffert werden.

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Es gibt 3 Kommentare

“das anti-israelische Narrativ vom Genozid in Gaza”. Der IGH sieht das wohl nicht als “anti-israelisches Narrativ”, Amnesty, Lee Mordechai u.a. wohl auch nicht. Kritik am gezielt Kinder und Journalisten töten (mit dt. Unterstützung) wird ebenfalls nur allzu gern als antisemitisch gerahmt – vgl. Hasbara. Kleindeutschland (samt Qualitätspresse) isoliert sich international weiter…

Völlig absurd. Vor allem die Erzählung mancher Kreise und Medien, dass diese Gewalt völlig unnötig, unverdient oder unerwartet über sie hereinkam.
Gegenseitiges Unterhaken, um die Maßnahme zu verhindern? Anfordern von Verstärkung, um zahlenmäßig der Polizei überlegen zu sein und durch Stärke zu gewinnen? Die Scheiben der Bahn einschlagen um zu fliehen?
Man stelle sich diese Dinge mal mit Rechten vor. Ich vermute, daß das Wort “Solidarisierungsaufrufe” nicht im Artikel aufgetaucht wäre.

So langsam hab ich das Gefühl, dass wir hier Berliner Verhältnisse bekommen. Ich wünsche mir, dass es soweit nicht kommt.

Mal abgesehen von der Polizeihaerte, finde ich es skurril, warum man die Polizei hindert ihre Arbeit zu machen, indem sich andere Personen mit denen solidarisieren. Da falle ich vom Glauben ab.

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