Mit dem Sondervermögen für Infrastruktur sollte der Schienenverkehr, also auch der Güterverkehr auf der Schiene, massiv verbessert werden. Schaut man in die entsprechenden Teile des Koalitionsvertrages, dann liest es sich eher wie der Plan einer Sanierung des DB-Konzerns. Scheinbar meinen die Koalitionäre, dass die DB und der Verkehr auf der Schiene gleichzusetzen sind.
Besonders beim Schienengüterverkehr ist das nicht der Fall. Ja, die Güterzüge fahren auf Gleisen, die dem DB-Konzern gehören. Aber etwa 61 Prozent der Güter auf der Schiene werden durch private Güterbahnen transportiert. Diese haben sich im Netzwerk Europäischer Eisenbahnen (NEE) e. V. organisiert, in Deutschland werden die mehr als 110 Unternehmen durch DIE GÜTERBAHNEN vertreten.
Wir sprachen am 25. April mit Geschäftsführer Peter Westenberger über seine Erwartungen an die neue Regierung, basierend auf dem Koalitionsvertrag.
Hallo Herr Westenberger, im Koalitionsvertrag auf den Seiten 26 und 27 stehen die Passagen zum Schienenverkehr. Was entnehmen Sie diesen für die privaten Güterbahnen?
Ich sag’ mal so: Der ganze Absatz zum Güterverkehr ist anders als die Infrastruktur-Themen richtig kryptisch. Wo so ein Satz herkommt, dass die Wettbewerbsfähigkeit der DB-Cargo kurzfristig wieder hergestellt werden soll, das kann ich mir schon vorstellen. Das ist typisch sozialdemokratischer Sprech. Wir sind im Moment auf der Suche nach dem Urheber des anderen Teilsatzes, der sich dort mit den Hubsystemen befasst.
Sie meinen die für den Einzelwagenverkehr?
Genau. Insgesamt sage ich mal: Wir haben den Eindruck, dass man eigentlich mit den Formulierungen Kaffeesatzleserei betreiben würde, wenn man jetzt sagen würde, man wüsste, was damit gemeint ist.
Es ist also wie bei Heines Loreley: Ich weiß nicht, was soll es bedeuten?
So ungefähr. Wir haben eine halb positive Interpretation vorgenommen, wenn man unterstellt, dass mit so einem Hubsystem eine Veränderung des Produktionssystems für den Einzelwagenverkehr gemeint sein könnte. Zum Beispiel die Mischung von Produktionssystemen. Dann wäre man zumindest auf einer heißen Spur, wie man die Wirtschaftlichkeit und vor allen Dingen auch die Attraktivität erhöhen könnte.
Aber das ist natürlich, wie gesagt, wohlwollend interpretiert und kein Selbstläufer. Deswegen hoffen wir, dass, sobald die Ministerfrage geklärt ist und die Arbeit aufgenommen wird, irgendjemand aus der Runde der Urheberinnen und Urheber, in Richtung des Ministeriums, des Fachausschusses und der Branche sagt, wie das aus Sicht der Urheber zu interpretieren ist.
Dann kann man weiter darüber diskutieren, was man davon hält. So würde ich das formulieren.
Es bleibt also nur übrig, die Regierungsbildung abzuwarten, um dann jemanden zu haben, den man fragen kann. Für mich ist das alles kryptisch formuliert. Die Investitionen ins deutsche Schienennetz werden gesteigert, ein Eisenbahninfrastrukturfonds wird gebildet, das klingt alles nach, vorsichtig gesagt, Absichtserklärungen als wirklichen Festlegungen.
Ich finde sogar, es geht noch ein Stück weiter zurück. Es klingt zum großen Teil immer noch wie Wahlprogramme, und zwar nach einem Strickprinzip, zwei links – zwei rechts für einen bunten Pullover. Da sind ja sehr wenige Zahlen außer den Seitenzahlen drin.
Das gilt auch für die Zielerklärungen, wenn man schon mehrere Koalitionsverträge gelesen hat, kennt man einige und weiß, dass die in der Vergangenheit nicht wirklich systematisch angegangen wurden. Deswegen, sage ich jetzt mal so, kann man da nur wenige Sachen finden, wo man sagt, die sind richtig schlecht aus unserer Sicht.
Aber den Finanzierungskreislauf wieder aufzugeben, würden wir als solches ansehen. Auch den Passus, dass die Trassenpreise zur Finanzierung von Infrastrukturinvestitionen herangezogen werden sollen. Aber es ist nicht über jeden Zweifel erhaben, ob diese negative Interpretation wirklich richtig ist. Das meiste sind Sachen, wo man sagt: Mach doch mal, probiert es doch mal. Es zeigt sich nur kein richtiges Bild.
Sie sind also, ich nenne es mal so, erkenntnislos, was das Ganze bedeutet?
Ja, was es bedeutet, wenn ich so ganz genau in diese Worte hereinhorche, dann meine ich schon da ein Muster erkennen zu können. Da prallen verkehrspolitisch unterschiedliche Grundvorstellungen aufeinander, gerade bei der Eisenbahn. Und man macht dann so eine Art Formelkompromiss mit allgemeinen positiv besetzten Absichtserklärungen und es bleibt dann in der Praxis dem Willen und der Kapazität des Verkehrsministeriums überlassen, was davon konkret weiterverfolgt wird.
Zusammenfassend bedeutet es eher, dass es keine große Änderung an der bisherigen Eisenbahnverkehrspolitik geben wird, so wie wir es letztendlich auch in der letzten Legislaturperiode erlebt haben, obwohl da der Koalitionsvertrag deutlich ambitionierter war als der jetzige. Also der war präziser, detaillierter und länger.
Rein vom Umfang her könnte man aus diesem Koalitionsvertrag schließen, dass im Güterverkehr weiter Straße vor Schiene geht. Kann man das so sagen?
Das kann man sicher so sagen. Das ist im Übrigen auch ein Punkt, wo die SPD immer wieder auffällig wird, weil sie in ihrer Programmatik eigentlich etwas anderes sagt. Aber ihre Pragmatiker, die Leute, die politische Verantwortung übernehmen, haben bei dem Thema mit der Union gar keine allzu großen Unterschiede. Jetzt übernimmt die SPD da an ein paar Stellen die antagonistische Position.
Sie hatte ja am Anfang beispielsweise noch Tempolimit für die Autobahn drin, was dann weggefallen ist. Und bei der Eisenbahnpolitik vertreten sie auch so eine relativ, sage ich mal, etatistische Position, mehr Verkehr auf die Schiene durch noch mehr Geld und mehr Deutschlandticket und solche Sachen. Aber wenn es ernst wird, sind sie dann halt doch in aller Regel ziemlich nah bei der Union und beim Straßenverkehr allemal.
Eisenbahn und Schienenverkehr allgemein wird im Koalitionsvertrag gleichgesetzt mit der Deutschen Bahn. Man liest dort von DB Konzern, von InfraGO und von DB Cargo, von Wettbewerbern findet man nicht viel.
Ja, es ist wirklich erstaunlich, dass das so durchgegangen ist. Zumindest einige Leute in der Unionsfraktion wissen das schon sehr gut, dass die da an der Stelle nicht wenigstens irgendwo mal das Wort Wettbewerber oder Wettbewerb mit untergebracht haben. Aber man muss auch sagen, dass in der Spitze der Union, und da zählt eben auch diese Gruppe dazu, die dann am Schluss das Koalitionspapier verhackstückt hat, sehr viele Leute wenig Kenntnis über den Schienengüterverkehr haben.
Die erliegen, wie viele andere, der Einschätzung, dass alles an Schienengüterverkehr DB oder DB Cargo ist. Das ist schon ein bisschen deprimierend. Es zieht sich aber im Übrigen auch durch den restlichen Koalitionsvertrag, dass sie dort sehr wenig über Wettbewerb lesen. Das ist interessant.
Zum Schluss noch eine Frage zu den Investitionen. 500 Milliarden Euro Sondervermögen für die Infrastruktur klingen gigantisch. Sieht man, dass sich das auf 12 Jahre verteilt, dann relativiert sich das, besonders wenn man bedenkt, dass allein Planungen mehrere Jahre dauern. Das Geld ist jetzt da, kann es auch schnell eingesetzt werden?
Da gibt es sogar ein Passus, der am Schluss hereingekommen ist, dass beim Sondervermögen die Hälfte dessen, was der Bund für sich reklamiert, also 150 Milliarden Euro, in den Jahren 2025 bis 2029 ausgegeben werden sollen. Da habe ich mich sofort gefragt, wie soll das gehen? Weil man ja nicht nur fix und fertiges Planungsrecht, also Baurecht braucht, sondern auch die Ausschreibungsprozesse gelaufen sein müssen, damit man wirklich Aufträge erteilen und Geld ausgeben kann.
Herr Westenberger, vielen Dank für das Gespräch und Ihre vorläufige Einschätzung. Wir werden das Thema weiter verfolgen.
Fazit: Es scheint also nicht nur Außenstehenden so zu gehen, auch die direkt Involvierten können mit den Aussagen im Koalitionsvertrag nicht viel anfangen. Es bleibt abzuwarten, was der nächste Verkehrsminister aus diesen, scheinbar unverbindlichen, Absichtserklärungen macht.
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