Das Wahljahr, rechnet man von Februar 2024 bis Februar 2025, ist vorüber und die einst stolze FDP hat in diesem Zeitraum massive Verluste eingefahren. Waren die Liberalen bei der Stadtratswahl 2009 noch mit 7 Mitgliedern vertreten, so ging es in den folgenden Wahlperioden 2014 und 2019 mit 2 weiter und 2024 blieb noch ein Stadtrat übrig. Klaus-Peter Reinhold, der über die Liste der FDP 2019 und 24 ein Mandat errang, zählen wir nicht mit. Er ist kein Mitglied der FDP und in dieser Wahlperiode fraktionsloser Stadtrat.

Im Land sieht es nicht besser aus: Im 2009 gewählten Landtag hatte die FDP 15 Sitze, regierte mit der CDU gemeinsam und hatte zwei Ministerposten inne. Seit der Wahl 2014 ist sie nicht mehr im Landtag vertreten. Das gleiche Auf und Ab gab es im Bundestag, mit dem Zerfall der Ampelregierung und dem Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde ist sie auch dort nicht mehr vertreten.

Ich habe mich also mit Alexander Gunkel, dem Leipziger Kreisvorsitzenden der FDP, getroffen, um zu erfahren, wie es mit der Partei in Leipzig weitergeht. Über den beruflichen Hintergrund von Alexander Gunkel haben wir bereits früher gesprochen. Alexander und ich sind seit geraumer Zeit per Du und haben das im Gespräch auch beibehalten.

Alexander, die Wahlen sind alle vorbei und die FDP hat massiv verloren. Du bist der Kreisvorsitzende in Leipzig, also die Frage an Dich: Wie wollt ihr jetzt weitermachen, vor allem wie wollt Ihr Euch und Eure Themen in der Öffentlichkeit darstellen?

Zunächst mal ist es gut, dass die Wahlen vorbei sind. Das war eine enorme Belastung für einen Verband, der ja zu hundert Prozent aus ehrenamtlich Tätigen besteht. Da hat uns das Jahr Dauerwahlkampf enorm gefordert. Es ist gut, dass wir jetzt erst mal die Möglichkeit und die Zeit haben, uns zu sammeln und über neue Wege nachzudenken.

Für uns ist natürlich das wesentliche Problem in der Zukunft, dass uns die Präsenz in der Öffentlichkeit fehlen wird. Das ist jetzt für uns in Leipzig gar nicht mal so eine Änderung wie in manch anderer Gegend, weil wir in Leipzig das Problem schon länger hatten, mangels eigene Abgeordnete vor Ort.

Wir hatten keinen Leipziger Bundestagsabgeordneten, wir hatten keinen Landtagsabgeordneten und wir waren auch nicht mit einer eigenen Fraktion im Stadtrat vertreten. Du kennst das ja gut, bei der letzten Fraktionsgemeinschaft warst Du ja mit involviert. Insofern ist das für uns gar nicht so neu.

Es ist, denke ich, gut, dass wir jetzt auch Zeit haben, auch mal ein zurückzuschauen und zu sehen, welche Fehler gemacht wurden und wie wir uns neu orientieren können. Ich habe bei unserem letzten Kreisparteitag gesagt: Wir haben sicherlich das Problem, dass wir von außen gesehen nicht so relevant sind. Aber wir müssen zeigen, dass wir Positionen und Argumente haben, die relevant sind und ich denke, darüber muss es gehen.

Wir wissen und viele andere wissen, dass eine liberale Partei dringend benötigt wird. Die Aufgabe wird für uns sein, die Frage zu beantworten: Warum wird sie benötigt. Genau dafür müssen wir uns starkmachen, für liberale Inhalte zu kämpfen, genau für die, die in dieser Gesellschaft fehlen, wenn wir still sind.

Was sind denn Eure liberalen Inhalte? Die letzte Pressemitteilung, die ich von Euch gelesen habe, war „Vorgeschlagene Reduktion des Windkraft-Flächenziels schadet der Region“. Wichtig ja, aber keine originäre Position der FDP.

Zunächst mal: Es ist ein typisches Thema, auch für uns, weil wir natürlich auf eine sinnvolle und gute Wirtschaftspolitik achten. Das gehört natürlich zum Markenkern, aber das ist nicht der Kern. Wir würden als liberale Stimme fehlen, weil wir die politische Kraft sind, die vor allem auf den Einzelnen vertraut, auf die Freiheit der Bürgerinnen und Bürger vertraut und sagt: Wir müssen darauf vertrauen, dass die Menschen die Kraft und die Einsichten haben, das Richtige zu tun.

Das Richtige tun klingt, bei 30 Prozent AfD-Wählern in Sachsen bei der Bundestagswahl, nicht überzeugend.

Das heißt nicht, dass man jeder Entscheidung in jedem Einzelfall zustimmt. Bei den meisten Menschen denke ich, dass ihre Wahlentscheidung vielleicht nicht die beste war. Aber das denken die meisten Menschen wahrscheinlich auch von mir, so wie ich die letzten Wahlergebnisse deuten muss. Trotzdem ist es so, dass wir den Menschen in diesem Lande mehr zutrauen müssen, gerade im wirtschaftlichen Bereich, das ist für uns natürlich Teil des Markenkerns.

Wir sind für Unternehmer, wir sind aber nicht nur für die großen Konzerne, sondern gerade für die kleineren Unternehmer, für die Einzelselbstständigen, für die Mittelständler und da brauchen wir mehr Vertrauen. Denn viele Menschen leiden gerade unter dem Misstrauen, das ihnen von staatlicher Seite entgegengebracht wird.

Das Framing „Den Menschen wird vom Staat Misstrauen entgegengebracht“ und dessen ständige Wiederholung führt doch letzten Endes nur dazu, dass die Menschen dem Staat misstrauen. Auch wenn ständig nur von Überregulierung gesprochen wird und etwa Peter Jess mit der Kettensäge im Bürokratie-Dschungel aufräumen will. Das war Wahlkampf, aber wie wollt in der normalen politischen Arbeit an die Bürgerinnen und Bürger herangehen?

Zunächst mal, lass mich Deinen Einschub gleich mal aufgreifen. Im Rückblick müssen wir natürlich sehen, dass vieles in der Kommunikation offensichtlich nicht gut war und wenn wir von der Kettensäge sprechen, das war offensichtlich ein Fehlgriff. Ich würde jetzt gar nicht sagen, dass da nichts Wahres dran ist, aber das ist sozusagen eine Analogie.

Wenn ich eine Analogie habe und bin 90 Prozent der Zeit danach damit beschäftigt, zu sagen, was ich nicht gemeint habe, dann war es offensichtlich eine sehr schlechte Analogie, die man nicht verwenden sollte. Das gilt gerade für das Thema Kettensäge.

Trotzdem ist es schon so, dass Bürokratie, dass Regulierung immer etwas mit Misstrauen des Staates gegenüber denen zu tun hat, die reguliert werden. Und das gilt gerade im Bereich kleinerer Unternehmen, Einzelunternehmerinnen und Unternehmer, was sehr belastend sein kann. Aber das soll nicht der einzige Bereich sein.

Du hast ja schon gesagt, es geht darum, an die Bürgerinnen und Bürger zu kommen und ich glaube, das wird sehr wichtig. Aber das machen wir so oder so nicht über die Medien, weil wir ins direkte Gespräch kommen müssen. Wir müssen vor Ort präsent sein. Wir müssen es in den nächsten Jahren bis zu den vielen Wahlen, die es 2029 anstehen, schaffen, dass wir tatsächlich mit Menschen ins Gespräch kommen, direkt mit ihnen, und das werden wir auch angehen.

Bis zu den Wahlen 2029 ist noch etwas Zeit, aber 2027 steht in Leipzig die Wahl zum Oberbürgermeister an. Wollt ihr da mit einem eigenen Kandidaten antreten?

Wir müssen noch schauen und entscheiden, wie wir uns da konkret verhalten. Ich kann noch nicht garantieren, dass wir mit einem eigenen Kandidaten oder eigenen Kandidatin präsent sein werden, aber ich bin mir sicher, dass wir auf die ein oder andere Art präsent sein werden. Unser Anspruch ist es ja auf jeden Fall, die Politik in dieser Stadt mitzugestalten und da werden wir Mittel und Wege finden.

Vielleicht muss man auch etwas kreativer sein, wenn die herkömmlichen Wege nicht funktionieren, muss man andere Wege finden. Es ist ja so, dass genau diejenigen, von denen wir uns nicht wünschen, dass sie erfolgreich sind, uns das vorgemacht haben. Nämlich quasi an den traditionellen Medien vorbei und trotzdem präsent zu sein. Das muss für uns auch möglich sein, da entsprechende Wege zu finden.

Das waren meine Fragen. Hast Du noch etwas, was Du loswerden willst?

Ich habe sehr viele Themen, die ich noch loswerden möchte. Ich glaube, dass zwei Punkte entscheidend sind für die nächste Zeit: Zum einen, dass wir uns nicht kirre machen lassen durch taktische Überlegungen, irgendwelche Wählergruppen oder Milieus, die wir kurzfristig erschließen könnten. Wir sollten weniger taktisch, weniger mit der Marketingbrille daran gehen, sondern primär mit der Frage: Was braucht diese Gesellschaft eigentlich? Was wollen wir eigentlich in dieser Gesellschaft erreichen? Das muss man sich ja in der Politik häufig mal vor Augen führen, dass es kein Selbstzweck ist, was man da macht, sondern dass man ein weitergehendes Ziel verfolgt.

Und wir brauchen etwas mehr Immunität gegenüber den anscheinend so wohlwollenden, aber am Ende sehr zwiespältigen Ratschlägen, die jetzt aus allen Richtungen kommen. Uns wird von vielen Leuten empfohlen, dies oder jenes zu tun, um mal einen richtigen, konsequenten Liberalismus zu machen. Und das ist dann immer ein halber Liberalismus, der herauskommt.

Die einen empfehlen uns, das gesellschaftsliberale zu machen, aber das wirtschaftsliberale zu vergessen. Die anderen empfehlen uns genau das Gegenteil, nämlich wirtschaftsliberal, aber gesellschaftspolitisch illiberal zu sein. Das ist, glaube ich, momentan eine große Gefahr in der Diskussion. Wir sind nicht mehr in der Zeit des Kalten Krieges, wo man noch sagen konnte, die Hauptgefahr für Freiheitseinschränkungen geht immer vom Staat aus.

Wir müssen uns davon lösen, denn wir haben die Gefahr von Freiheitseinschränkungen bei vielen gesellschaftlichen Akteuren. Wir müssen sehen, dass die Freiheitseinschränkungen aus vielen Richtungen drohen.

Alexander, ich danke Dir für das Gespräch.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar