Man traut seinen Augen und Ohren nicht und darf trotzdem nicht überrascht sein: Die erste (nach der Romreise anlässlich der Beisetzung von Papst Franziskus) Auslandsreise des Präsidenten der Vereinigten Staaten Donald Trump führte ihn nach Saudi-Arabien, Katar und in die Arabischen Emirate. Die einzige erkennbare Absicht dieser Reise: milliardenschwere Rüstungsgeschäfte und Deals zwischen den USA, arabischen Autokraten und weiteren Milliardären.
Dazu private (Immobilien-)Geschäfte des Trump-Clans mit fließenden Grenzen zu Korruption und Vetternwirtschaft! In Katar nimmt Trump ein bescheidenes 400 Millionen Dollar Geschenk, eine Boeing 747, entgegen. In Saudi-Arabien wird eine Investitionssumme von 600 Milliarden Dollar mal eben mit Kronprinz Mohammed bin Salman, dem mutmaßlichen Auftragsmörder am Journalisten Jamal Khashoggi, per Handschlag auf 1 Billion Dollar aufgerundet.
Kein Mensch, kein Parlament, kein Gericht wird je kontrollieren können, was da tatsächlich vereinbart wurde und welches Geld wohin geflossen ist.
Gleichzeitig
- setzt die Trump-Vance-Musk-Bande die Zerstörung der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit in den USA fort – insbesondere durch einen gewaltsamen Einschüchterungskampf gegen die großen Universitäten, die unabhängigen Gerichte und Medien;
- zertrümmert die Trump-Vance-Musk-Bande internationale Organisationen wie die UNO und internationale Vereinbarungen und trocknet Hilfsorganisationen finanziell aus – nicht zuletzt durch Gründung „alternativer“ Institutionen wie die Stiftung „Gaza Humanitarian Foundation (GHF)“. Sie soll den Einfluss der UNO und ihrer Organisationen ersetzen, damit Trump und Netanjahu die Vertreibung der Palästinenser aus dem Gaza-Streifen vollenden und ihre „Vision“ von einer „Riviera des Nahen Ostens“ umsetzen können.
- erklärt Trump die Sanktionen gegen Syrien für beendet. Spätestens da wird dann eine weitere Absicht der Reise Trumps klar: Er will sich die Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung aus Gaza ermöglichen lassen durch Geschäfte mit Staaten wie Syrien, die die vertriebenen Palästinenser aufnehmen sollen. Damit ist dann der Weg frei für die Gaza-Riviera. Auf dem Hintergrund Tausender Toter im Gaza kann ich in der skrupellosen Kriegführung Netanyahus im Windschatten von Trumps privat-imperialem Wüten nur noch ein horrendes Verbrechen erkennen.
Das alles ist so absurd, wie zielstrebig geplant. Niemand sollte die Brutalität und Schamlosigkeit unterschätzen, mit der die Trump-Vance-Musk-Bande im Innern der Vereinigten Staaten und nach außen vorgeht. Mögen einem die Auftritte des Donald Trump noch so unappetitlich wie clownesk vorkommen – dieser Präsident der USA ist eingerahmt von eiskalten Strategen à la JD Vance. Sie beherrschen die Strategie der Umwertung aller Werte, indem sie ihre Ziele mit den Begriffen zieren, deren Inhalt sie systematisch zertrümmern.
Ihnen kommt es auf Menschenwürde, Gleichberechtigung, Rechtsstaatlichkeit, internationale Zusammenarbeit nicht an. Im Gegenteil: Menschenleben spielen keine Rolle. Wer nicht in ihr Weltbild passt, kann beseitigt werden. Das war und ist immer schon die Grundhaltung menschenverachtender Diktatoren, Autokraten und Tyrannen.
Darum kann und darf es – und zwar schon seit dem 20. Januar 2025 – keine normalen Beziehungen zwischen Deutschland und der Europäischen Union auf der einen und dem Weißen Haus auf der anderen Seite geben. Denn Trump-Vance-Musk-Bande hat bezogen auf Europa nur das eine Ziel: die Europäische Union und damit die Grundpfeiler der freiheitlichen Demokratie wie Menschenwürde, Meinungs-, Presse-, Religions- und Wissenschaftsfreiheit, Gewaltenteilung und freier, regelbasierter wirtschaftlicher Austausch zu zerstören.
Auf diesem Hintergrund sind zwei Dinge alarmierend:
- Die rechtsextremistische AfD befürwortet – wie viele andere rechtsnationalistische Parteien und Autokraten in Europa – die Agenda der Trump-Vance-Musk-Bande ohne jede Einschränkung. Sie befindet sich damit auf der Schleimspur eines Tyrannen. Allein das macht sie zu einer verfassungsfeindlichen Partei. Denn so wie jetzt die Trump-Vance-Musk-Bande im Weißen Haus agiert, so wird die AfD-Politik betreiben, sollte sie jemals an die Schaltstellen der Macht gelangen. Dass sie sich derzeit der gleichen, ihre wahren Absichten verharmlosenden Sprache der Umwertung aller Werte wie alle Autokraten bedient, sollte auch den letzte:n Zweifler überzeugen: Gegen diese Partei muss eher heute als morgen ein Verbotsverfahren angestrengt werden.
- Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) hat auf dem Treffen der NATO-Außenminister in Antalya/Türkei ausdrücklich der Forderung Trumps zugestimmt, alle NATO-Länder müssten fünf Prozent ihres Bruttosozialproduktes für Rüstung/Verteidigung ausgeben. Damit hat Wadephul ohne Not und in Verkennung der tatsächlichen Politik der Trump-Vance-Musk-Bande die Politik Deutschlands auf die Schleimspur eines Tyrannen gesetzt. Stellen sich Wadephul und Bundeskanzler Merz so die Außenpolitik eines selbstbewussten und demokratischen Europas vor? Dies ist nicht nur politisch verwerflich. Es ist höchst gefährlich. Denn niemals darf sich die Politik eines demokratischen Deutschlands der Willkür eines Tyrannen anschließen, der völlig losgelöst von internationalem Recht und rücksichtslos egomanisch-nationalistisch Entscheidungen trifft. Dabei lasse ich hier unberücksichtigt, dass es grundsätzlich höchst bedenklich ist, für einen Wirtschaftszweig wie die Rüstungsindustrie, in der Konkurrenz unterentwickelt und Korruption latent gegeben ist, ohne jede Bedarfsplanung gigantische Investitionssummen festzulegen.
Was jetzt zu tun ist? Die Europäische Union muss viel stärker als bisher auf die Einhaltung all der demokratischen Grundwerte achten, deren Zerstörung auf der Agenda der Autokraten steht. Allein das verbietet eine „normale“ Zusammenarbeit mit der Trump-Vance-Musk-Bande. Zu glauben, man könne dieser beikommen, indem man sich ihre Ebene begibt, ist ein gefährlicher Trugschluss. Diesem erliegen leider derzeit zu viele, auch im Blick auf die AfD.
Es muss aber alles dafür getan werden, dass die Trump-Vasallen bei uns zurückgedrängt werden. Darum müssen Bundesfinanzminister und Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) und Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) unmissverständlich die Äußerungen von Johann Wadephul zurückweisen und eine eigenständige, an den Grundwerten der Verfassung ausgerichtete Politik der EU befördern.
Christian Wolff, geboren am 14. November 1949 in Düsseldorf, war 1992–2014 Pfarrer der Thomaskirche zu Leipzig. Seit 2014 ist Wolff, langjähriges SPD-Mitglied, als Blogger und Berater für Kirche, Kultur und Politik aktiv. Er lebt in Leipzig und ist gesellschaftspolitisch in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens engagiert. Zum Blog des Autors: https://wolff-christian.de/Â
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