Am Anfang war das Silber, das Sachsen reich machte und Städte wie Freiberg und Annaberg aufblühen ließ in jenem Stück Landschaft, das vor den großen Silberfunden nur als Miriquidi auf den Karten eingetragen war: Finsterwald.

Ein Stück Erde, in das sich die Menschen nur vorsichtig wagten, entlang der Gebirgsflüsse zuerst. Karge Landwirtschaft war möglich. Aber wirklich Leben in die Bude kam erst, als die ersten Silberfunde das erste Berggeschrei auslösten. Und eine technische Revolution.

Davon erzählt dieses Buch, das der Leipziger Historiker Prof. Bernd Rüdiger und der Uhrmachermeister Egon Weißflog aus Schwarzenberg geschrieben haben. Beide vereint ihre Mitgliedschaft im Adam-Ries-Bund e.V., der seinen Sitz in Annaberg-Buchholz hat.

Und noch eins eint die beiden: Ihr Interesse für die Technik der frühen Bergbauzeit in Sachsen. Logisch, dass da auch ein Uhrmachermeister höchst neugierig ist, denn die Geräte, mit denen die damaligen Vermesser arbeiteten, wurden von versierten Uhrmachern hergestellt. Es ging um Präzision.

Und natürlich um lauter neue Geräte, mit denen man – nachdem die oberflächennahen Fundstätten alle abgebaut waren, in die Tiefe vordringen konnte. Denn so einfach, wie sich das ein ganz normaler Oberflächenbewohner vorstellt, ist es nicht, den wertvollen Rohstoffen in die Tiefe des Berges zu folgen.

Zuerst bekommt man Probleme mit dem Wasser, das man irgendwie aus den Stollen bekommen muss. Dann geht es um Lasten und Hebewerkzeuge, die man braucht, je tiefer die Schächte in den Berg vorstoßen.

Verlorene Schätze

Und dann gibt es da noch die oberirdischen Eigentumsrechte, die auch in der Tiefe gelten: Wo verläuft eigentlich der Stollen, wo trifft er auf die Markscheide und damit auf das Gebiet des Nachbarn? Schon kommen die berühmten Markscheider uns Spiel, die Leute, die den unterirdischen Verlauf des Stollensystems nachmessen und auf die Oberfläche projizieren mussten.

So einer war auch der Sohn von Adam Ries, Abraham Ries, der in diesem Buch mehrfach vorkommt, weil er sich auch einige jener Geräte anfertigen ließ, mit denen er seiner Arbeit nachkommen konnte.

Eins davon war auch mal Bestandteil der Dresdner Schatzkammer – so wie noch einige weitere Messgeräte aus dieser Zeit, die so kunstfertig gearbeitet waren, dass sie der Kurfürst unbedingt in seiner Schatzkammer haben wollte.

Das Tragische: Alle diese Instrumente wurden beim Bombenangriff auf Dresden im Februar 1944 zerstört. Glücklicherweiser existieren noch ein paar Fotoaufnahmen, die auch im Buch zu finden sind. Aufnahmen, die auch dem Laien zeigen, wie sehr in der Renaissance schon mathematisches und technisches Denken den Bergbau bestimmte.

Von Mühlen und Hämmern

Andere technische Apparate waren natürlich viel zu groß, um sie in eine Schatzkammer zu stecken. Das geht schon bei den Mühlen los, denen ein eigenes Kapitel gewidmet ist. Sie waren die Energiemaschinen der frühen technischen Revolution – im Erzgebirge folgerichtig fast alles Wassermühlen.

Denn Wasser stand hier das ganze Jahr zur Verfügung, das starke Gefälle der Bergbäche gab den Mühlen richtig Power und an manchen Flüssen reihten sie sich zu Dutzenden aneinander.

Und sie mahlten eben nicht nur Getreide, sondern trieben auch Hämmer an, sodass die Aufbereitung der Metalle gleich vor Ort passieren konnte. Da und dort sind die letzten dieser übrig gebliebenen Mühlen und Hammerwerke heute noch als technische Attraktion zu bewundern.

Aber damit war noch nicht die Frage geklärt, wie man das nachströmende Wasser aus den Stollen bekam. Das ermöglichten, als es immer weiter in die Tiefe ging, erst die Göpel, die binnen weniger Jahre technisch immer ausgereifter und leistungsfähiger wurden. Das ist ein Aspekt, unter dem die Zeit der Renaissance oft nicht betrachtet wird, die ja nicht nur eine Zeit des Aufblühens der Kunst und der Wissenschaft war, sondern auch eine technische Umwälzung.

Erst diese frühe technische Revolution ermöglichte ja das Aufblühen der Städte. Und Rüdiger und Weißflog können auch etliche der damaligen Tüftler benennen, die mit mathematischem Wissen und technischer Begabung die Konstruktion der Bergbautechniken vorantrieben, sich kaiserliche Patente ausstellen ließen und damit den technischen Fortschritt auf ihre Weise vorantrieben.

Mit den Wasserkünsten ging es dann weiter – und noch tiefer in den Berg. Und während sich Abraham Ries eine Bergwaage anfertigen ließ, brachte das wachsende Vermessungswesen rund um die Bergwerke auch den sächsischen Kurfürsten auf Ideen.

Denn wenn man unterirdische Stollen vermessen konnte, dann sollte das doch wohl auch mit oberirdischen Landstraßen möglich sein. Und so gibt es auch noch ein ausführliches Kapitel zu den Landes-Messwagen, die sich Kurfürst August konstruieren ließ.

Die Konstrukteure kommen dabei genauso ins Bild wie die ersten auf diese Weise vermessenen Karten, auch wenn die erste wirklich belastbare Landesvermessung noch über hundert Jahre auf sich warten ließ. Aber mit der Vermessung mit Karren und Kutschen knüpften die sächsischen Techniker an eine Geschichte an, die bis zu Heron von Alexandria führt und zu den Vermessungstechniken der Griechen und Römer, die in der Renaissance wieder zur Geltung kamen.

Ein neues Verhältnis zur Natur

Auch wenn sie natĂĽrlich noch lange nicht die Genauigkeit aufwiesen, wie sie die verbesserten Techniken ab dem 18. Jahrhundert zulieĂźen. Aber mit den beiden Autoren taucht man trotzdem ein in ein Zeitalter, in dem der Bergbau in Sachsen zur treibenden Kraft in der technischen und wirtschaftlichen Entwicklung wurde.

Und in der die Menschen ein neues, technisches Verhältnis zur Natur entwickelten. Und zu dem für Menschen Machbaren. Eine Entwicklung, die ja bekanntlich in der Gegenwart kulminiert und heute ihre Grenzen aufzeigt.

Welche Folgen der technische Zugriff auf die natĂĽrlichen Ressourcen hatte, interessierte die Bergleute im 16. Jahrhundert noch nicht. Auch wenn neben den HĂĽten und Hammerwerken die Kohlenmeiler rauchten.

Die Köhlerei, die die benötigte Holzkohle für das Ausschmelzen der Metalle produzierte, gehörte mit zum Hüttenwesen und verwandelte den Miriquidi binnen weniger Jahrhunderte in einen ziemlich kahlen Bergrücken, den sächsische Forstleute erst wieder lernen mussten, mit Wald zu bepflanzen und nachhaltig zu bewirtschaften.

Das ist nicht mehr Teil des Buches, flackert aber überall dort auf, wo neben Mühlen und Hütten die Kohlenmeiler erwähnt werden. So gesehen bindet das Buch 500 Jahre zusammen, in denen der Mensch anfangs keine Rücksicht auf die Begrenztheit natürlicher Ressourcen nehmen musste und mit immer neuen klugen Erfindungen seine Möglichkeiten, diese Ressourcen auszubeuten, immer mehr erweiterte.

Die Frage bleibt für die Gegenwart, ob wir es heute endlich lernen, diese Grenzen des Wachstums zu respektieren. Denn ausdenken können wir uns vieles. Mit dem von Rüdiger und Weißflog geschilderten Zeitalter wurde dieser Triumph der Technik in der menschlichen Geschichte manifest.

Aber sind wir auch klug genug, diesen Triumph in kontrollierte Bahnen zu lenken und uns genug Ressourcen fĂĽr die Zukunft zu bewahren? Die Frage steht. Ein BĂĽchlein zum Nachdenken. Gerade fĂĽr die Sachsen, die auf ihre Bergbaugeschichte so stolz sind.

 

Bernd RĂĽdiger, Egon WeiĂźflog Mit dem Bergsegen fing es an Tauchaer Verlag, Leipzig 2025, 13 Euro.

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