Es war zu erwarten, dass die neue Bundesministerin für Wirtschaft und Energie, Katherina Reiche, uns nach ihrem Amtsantritt irgendetwas mit „Technologieoffenheit“ präsentiert. Als Vorsitzende des Nationalen Wasserstoffrates der Bundesregierung, besonders aber durch ihre berufliche Herkunft von der Westenergie, scheint sie fest im Griff der Gas-Lobby zu sein.
Nur zur Einordnung, die Westenergie AG betreibt 196.000 Kilometern (km) Strom- und 37.000 km Gasnetz, letzteres würde durch den flächendeckenden Einsatz von Wärmepumpen obsolet. Das Stromnetz müsste bei Ausbau von erneuerbaren Energien und den Aufwuchs bei Wärmepumpen grundhaft ausgebaut bzw. geändert werden. Es geht also um viel Geld.
Zur „Technologieoffenheit“ gehört selbstverständlich der Einsatz von Wasserstoff und „grünem Gas“, zumindest laut Jens Spahn, dafür ist das alte Gas-Verteilernetz zwar nur bedingt tauglich. Aber alles ist ja für die Firmen besser als eine Abschaltung.
Wen wundert es da noch, dass Katherina Reiche im Interview mit dem Handelsblatt, unter dem Titel „Klimaschutz kann nicht das einzige Ziel sein“, den Ausbau der Erneuerbaren Energien verändern und den vermeintlichen „Zwang zur Wärmepumpe“ beenden will? Es geht nicht wirklich um ein volkswirtschaftliches Ziel, wie es für eine Bundesministerin Pflicht wäre, es geht um Ziele und Profite der fossilen Energieunternehmen.
Ein Blick auf den Gasmarkt
Deutschland importierte im Jahr 2024 1.820.315 TJ (Terajoule) Erdgas für insgesamt 18.894.907.000 €, einfacher gesagt für fast 19 Milliarden Euro.
Dazu kommt noch ein Anteil an den rund 70 Milliarden Subventionen für fossile Energieträger, von denen Marcel Fratzscher vom DIW, in Bezug auf den ifw-Subventionsbericht, schreibt:
„Die Subventionen für fossile Energieträger in Deutschland sind laut IWF bezogen auf die Wirtschaftsleistung mit 1,9 Prozent – das entspricht 70 Milliarden Euro pro Jahr – noch immer sehr hoch.“
Es geht also um eine enorme Summe Geld, um sich das vorstellen zu können rechnen wir das um. 1TJ entspricht ca. 277.800 kWh, nach der Einheit wird der Gasverbrauch für Haushalte und Industrie meist abgerechnet.
1.820.315 TJ x 277.800 = 505.683.507.000 kWh
Rechnen wir mit einem halben Cent Gewinn pro Kilowattstunde, das ist eine Annahme – genaue Zahlen lassen sich nicht finden, dann ergibt sich ein Gewinn von 2.528.417.535 €, sprich rund zweieinhalb Milliarden Euro.
Wer verzichtet darauf gern?
Zurück zur Bundeswirtschaftsministerin
Zuerst zur Westenergie AG. Für das Unternehmen lassen sich keine exakten Daten zu Gewinnen in 2024 finden. Für 2023 lag ein Ergebnis nach Steuern von 572,2 Millionen Euro vor, dieser Gewinn wurde aufgrund eines Gewinnabführungsvertrages, wahrscheinlich an die Konzernmutter, abgeführt.
Die Konzernmutter heißt E.ON, also schauen wir dort nach. Am 26.02.2025 meldet E.ON ein Rekordergebnis für 2024 mit einem bereinigten Konzernüberschuss von 2,9 Milliarden Euro.
Auch wenn E.ON aktuell stark in erneuerbare Energien investiert, so entsteht doch ein Teil der Gewinne immer noch durch fossile Energieträger wie Erdgas. Es erscheint logisch, dass der Konzern nicht so schnell auf diese verzichten will.
Es ist durchaus anzunehmen, dass für Katherina Reiche ein Interessenkonflikt besteht, zwischen ihrem Amt als Ministerin und ihrer früheren Tätigkeit. Lassen wir das so im Raum stehen.
Was ist mit dem „Zwang zur Wärmepumpe“?
Ja, es gibt diesen „Zwang“, allerdings ist es kein gesetzlicher Zwang durch „grüne Ideologie“. Es ist ein faktischer Zwang aus wirtschaftlich vernünftigen Abwägungen. Wie lange wollen wir Milliarden Euro für Erdgasimporte ausgeben, obwohl für einen großen Teil andere Energieerzeugungsformen zur Verfügung stehen?
Besonders der Satz „Es gibt de facto ein Betriebsverbot für Gasthermen, die vor 1991 eingebaut wurden.“ ist irreführend. 1991 ist 34 Jahre her und die durchschnittliche Betriebsdauer einer Gastherme wird mit 15 bis 20 Jahren angegeben. Anders gesagt, in den 34 Jahren hat sich der Durchschnittsbürger 3 – 6 neue Autos gekauft. Mit vielen dieser damals zugelassenen Dieselfahrzeugen kann man heute nicht mal mehr in Umweltzonen fahren. Warum dieser Fokus auf die wirklich alten Gasthermen?
Katherina Reiche übernimmt hier faktisch das Framing der „Bild“ von Habecks Heizungsgesetz.
Fazit: Die Bundesministerin für Wirtschaft und Energie scheint mehr für den Erhalt der fossilen Energien und der damit verbundenen Konzerngewinne zu arbeiten, als für volkswirtschaftlich förderliche Themen. Das ist durchaus gefährlich für die Wirtschaftsentwicklung der nächsten Jahre.
P.S. Über die entstehenden Kosten für die Beseitigung von Umweltschäden und ähnliches reden wir demnächst.
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Es gibt 9 Kommentare
Zunächst wurde hier kein kleines „i“ als Einheit verwendet. Wie Sie selbst anmerken, ist es in der Elektrotechnik bereits durch das Symbol für den zeitabhängigen, veränderlichen Strom belegt. Von „bedenkenlos“ kann also kaum die Rede sein, eher von „gedankenlos“. Wie ich Ihrer Ergänzung entnehme, wissen Sie sicherlich, dass die Notation spätestens dann problematisch wird, wenn Ströme als Funktionen komplexer Zahlen dargestellt werden.
Es spricht im Übrigen auch nichts dagegen, das kleine „j“ zu übernehmen, da es nicht anderweitig als SI-Einheit vergeben ist. Einheitlichkeit dient hier nicht nur der Konvention, sondern vor allem der Verständlichkeit. Saubere Notation ist gerade in technisch-wissenschaftlichen Themen keine Nebensache. Und da wir über E.ON und Wärmepumpen sprechen, stehen wir mit zumindest einem Zeh ohnehin bereits im Fachbereich der Elektrotechnik.
Danke für die Korrektur, Herr Köhler. Es freut mich, dass Sie den Punkt aufgenommen haben.
Was halten Sie, lieber Autor, von der heute verbreiteten Nachricht, daß die sog. Atomenergie nach Ansicht der Bundesregierung nunmehr doch nachhaltig sei?
Und, liebe “Mimi”, nur die Elektrotechnik nimmt das j als Symbol für die imaginäre Einheit, um nicht mit dem dort üblichen Symbol i für den elektrischen Strom durcheinander zu kommen. Außerhalb der Elektrotechnik schreibt man bedenkenlos i²=-1.
fra, zumindest für den Aspekt des Verteilungsnetzausbaus bis zum Hausanschluss finden Sie die aktuelle Planung der Netz Leipzig GmbH ebenso wie das zugrundeliegende Szenario auf vnbdigital.de. Der aktuelle Planungshorizont ist 2045 und unterteilt die Maßnahmen in drei Abschnitte: bis 2028, bis 2033 und 2045, wobei der von ihnen angesprochene Niederspannungsausbau zu fast 2/3 erst ab 2034 geplant ist.
@Thomas Köhler danke für die Antwort. Ob wir diese Menge an Energie noch benötigen sei mal dahin gestellt. Was wir dafür benötigen ist ein Ausbau der Netze bis zu den Verbrauchern. Viele Einfamilienhäuser sind noch mit 35A abgesichert, was den Einbau eines Energiemanager erforderlich macht. Da sonst es zu einer Überlastung kommen kann. Dieses wird eine enorme Aufgabe. Leider kann mir keiner der betreffenden Personen sagen wieviel Zeit man dafür benötigt.
@Mimi danke für den Hinweis, ist korrigiert. Wahrscheinlich ein Kopierfehler oder ein Fehler durch Autokorrektur, den ich nicht bemerkt habe.
@fra diese, durchaus interessante Frage ist schwer zu beantworten. Das kommt auch daher, dass folgende Frage im Raum steht: “Wird diese Energiemenge überhaupt benötigt?” Die genannte Zahl ist ja die dem Erdgas innewohnende Energie. Im Bereich der Heizung liegt der Wirkungsgrad für Wärmepumpen bei 300 bis 500%, da die Wärmepumpen bis zu 75 Prozent kostenfreie Energie aus der Umwelt nutzen. Bei der klassischen Gasheizung im EFH liegt dieser meist bei 85 – 90 %. Ähnlich sieht es aus bei der Fernwärmeerzeugung. Hier kann ich, als Maschinenbauingenieur, keine tragfähigen Aussagen treffen. Welche Energiemengen wirklich benötigt werden und wann diese wie hauptsächlich erneuerbar erzeugt werden können, das ist eine Frage für Spezialisten. Ich bin aber auf dem Weg, diese zu suchen.
Mal eine andere Idee. 505.683.507.000 kWh mehr über unsere Stromnetze und erzeugt, wann sind wir dazu in der Lage.
Die SI-Einheit für die Energie oder Arbeit, das Joule, wird korrekt mit dem [J] bezeichnet. Das kleine “j” dagegen bezeichnet die imaginäre Einheit j²=-1.
Wer bei Gas und Öl bleibt, wird das demnächst auf der Rechnung sehen. Auf EU-Ebene gibt es dann die deutliche Verteuerung für CO2. Das macht das Heizen mit Öl und Gas erheblich teurer. Es macht übrigens auch den Kohlestrom hochgradig unattraktiv.