Die Wahlerfolge des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) im vergangenen Jahr hatten auch mit zwei Dingen zu tun, welche die Wähler seit dem Februar 2022 besonders beschäftigen. Das eine ist die Frage nach einem möglichst schnellen Frieden, der freilich auch im Mai 2025 noch nicht in Aussicht ist. Und das zweite ist etwas, was die Verbraucher natürlich alle an ihrem Geldbeutel zu spüren bekommen haben: Seit 2022 sind die Energiepreise deutlich gestiegen. Heizen ist teurer geworden. Und im Raum schwirrt dabei immer die These, die Energiekosten würden wieder sinken, wenn es nur wieder „billiges“ russisches Erdgas gäbe.
Am 3. April hatte die LVZ ein Interview mit dem Vorstandsvorsitzenden der in Leipzig ansässigen VNG, Ulf Heitmüller, geführt, in dem dieser recht deutlich sagte, dass eine Rückkehr zu russischem Gas „schwierig sei“. Und das ist noch vorsichtig ausgedrückt.
Das Interview rief sofort auch die BSW-Fraktion im Leipziger Stadtrat auf den Plan, die nun von der Stadtverwaltung eine Einschätzung haben wollte, wie diese zu den Aussagen von Ulf Heitmüller steht. Das Wirtschaftsdezernat hat dazu geantwortet und macht den BSW-Stadträten vor allem eines klar: Dass die Entscheidung, ob wieder russisches Gas nach Deutschland fließt, ganz bestimmt nicht in Leipzig fällt. Und dass die Preisentwicklung bei Erdgas und Strom nicht allein von den gekappten Erdgaslieferungen aus Russland abhängt.
Aber da Putin derzeit ganz offensichtlich nicht bereit ist, seinen Krieg gegen die Ukraine (und den hybriden Krieg gegen Länder wie Deutschland) zu beenden, wird es wohl auf Jahre hinaus keine Rückkehr zu Gasimporten aus Russland geben.
Gaspreise begannen schon 2021 zu steigen
„Unabhängig von geopolitischen und versorgungstechnischen Erwägungen bleibt es ein wichtiges Anliegen, dass Energie für Bürgerinnen und Bürger sowie für die Wirtschaft bezahlbar bleibt. Günstige Energiepreise tragen zur sozialen Stabilität bei, sichern die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und stärken die regionale Wertschöpfung. Die Stadt Leipzig teilt dieses Interesse grundsätzlich, wenngleich die konkreten Einflussmöglichkeiten auf die Energiepreisbildung auf kommunaler Ebene begrenzt sind“, beschreibt das Wirtschaftsdezernat den begrenzten Handlungsspielraum der Stadt Leipzig.
„Die Aussage von Herrn Heitmüller deckt sich mit den aktuellen Überlegungen der EU-Kommission, bis Ende 2027 die Gasimporte aus Russland zu verbieten. Der konkrete Vorschlag für eine gesetzliche Umsetzung soll den Mitgliedsländern im Juni vorgelegt werden. Eine zweistufige Vorgehensweise wird angestrebt. Eine politische Entscheidung steht allerdings noch aus.“
Und das Wirtschaftsdezernat betont auch etwas, was in der ganzen Gaspreisdebatte meist ignoriert wird: „Ungeachtet dessen wäre eine vollständige Rückkehr wie vor Kriegsbeginn in der Ukraine zu russischem Gas nicht zu erwarten, insbesondere nicht zu den damaligen Kosten.
a. Deutschland wird künftig gut beraten sein, ein diversifiziertes Bezugsportfolio beizubehalten, um erneute Abhängigkeiten zu vermeiden. Bereits heute beliefert Russland den europäischen Markt mit Erdgas (bis zu 20 %).
b. Die Importeure würden russisches Erdgas nur mit einem deutlich höheren Risikoaufschlag kalkulieren, um einen potenziellen Lieferausfall zu kompensieren. Die Flexibilität der Lieferungen wie früher wäre damit auch nicht mehr gegeben.
c. Auch die finanzierenden Banken würden andere, ggf. höhere Sicherheiten benötigen. Die Lieferverpflichtungen russischer Lieferanten haben sich als nicht oder schwer durchsetzbar erwiesen.
d. Zu klären und vor allem politisch zu entscheiden wäre, welche möglichen verbliebenen Transportrouten für eine Lieferung von russischem Erdgas zur Verfügung stehen.
e. Unklar ist auch, ob russische Lieferanten bereit sind, die ihrerseits aufgekündigten Lieferungen erneut aufzunehmen.“
Preise werden im Großhandel bestimmt
Und nicht nur die VNG muss sehen, wie sie sich auf den Märkten möglichst preiswert mit Erdgas eindeckt. Auch die Stadtwerke kaufen ja auf den Energiemärkten ein. Weshalb auch niemand wirklich beziffern kann, ob und welchem Ausmaß der Wegfall „billigen“ russischen Erdgases die Preise für Strom und Energie in Leipzig tatsächlich beeinflusst.
Das Wirtschaftsdezernat betont dazu: „Der Gasbezug insbesondere der Leipziger Stadtwerke erfolgt über die europäischen Großhandelsmärkte (Börsen und OTC) zu den jeweils aktuellen Preisen. Hintergrundinformationen zu den einzelnen Lieferanten und die Preiszusammensetzung unter Berücksichtigung der Bezugsquellen liegen nicht vor. Etwaige Mehr- oder Minderkosten können demnach nicht beziffert werden.
Zu berücksichtigen ist hier auch, dass (auf Umwegen) weiterhin Teilmengen von russischem Gas durch Gaslieferungen aus anderen Ländern den europäischen Markt erreichen. Grob überschlagen lässt sich aber festhalten, dass die Verknappung des Angebots von Gas im europäischen Markt zu einem substantiell höheren Preisniveau im Großhandel geführt hat.“
Und auch der Strommarkt, insbesondere die Preisentwicklung für die Endverbraucher, könnten nicht losgelöst von den restlichen weltwirtschaftlichen Entwicklungen betrachtet werden, so das Wirtschaftsdezernat in seiner Antwort, in der es auch darauf hinweist, dass der Anstieg der Gaspreise schon deutlich vor dem russischen Angriff auf die Ukraine begann.
„Im August 2021, somit zeitlich deutlich vor den verabschiedeten Sanktionen für russische Gasimporte und der damit verursachten Verknappung des Gasangebotes in der EU, hatten die Gaspreise auf den europäischen Großhandelsmärkten, mit einem Niveau von 34 €/MWh für das Frontjahr (Jahr 2022) bereits deutlich zugelegt. Die Gaspreise im August 2021 bewegen sich somit vergleichbar auf dem Niveau vom Mai 2025. Letztlich wirkt sich aber die Erhöhung des Großhandelspreises für Erdgas natürlich indirekt auf den Strompreis aus.“
Und so bleibt das Fazit eben trotzdem, dass eine Kommune wie Leipzig keinen Einfluss hat auf Energiepreise und Energiemärkte. Und das Wirtschaftsdezernat betont: „Der Gasbezug der Leipziger Stadtwerke erfolgt über den europäischen Großhandelsmarkt (Energiebörse und den OTC) zu geltenden Spot‐ und Terminmarktpreisen. Ein Bezug russischen Gases über 2027 hinaus, erscheint angesichts der unter 1 beschriebenen Initiative der EU aus heutiger Sicht nicht realistisch. Im Übrigen sei angemerkt, dass die Handelspolitik auf europäischer und nationaler Ebene gestaltet wird, nicht in der Kommune, die hierfür keine Zuständigkeit besitzt.“
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