Da bemühen sich die Bewohner eines ganzen Stadtquartiers darum, durch Verkehrsberuhigung so etwas wie ein bisschen mehr Aufenthaltsqualität auf den Straßen zu bekommen – und dann ignorieren das motorisierte Zeitgenossen dennoch immer wieder. So auch auf jenem Teil der Merseburger Straße im Lindenau, der seit September 2024 im Teilabschnitt zwischen Karl-Heine- und Aurelienstraße als sogenannte „kleine, feine Merse“ in eine Fußgängerzone umgewandelt wurde. In der SPD-Faktion verstand man den Frust nur zu gut.
„Obwohl die kleine, feine Merse nun schon ein Jahr nur noch mit Einschränkungen für den motorisierten Individualverkehr genutzt werden darf, berichten Anwohnende immer wieder von durchfahrendem Verkehr, teils mit überhöhter Geschwindigkeit. Gleiches gilt für Fahrzeuge, die trotz des geltenden Parkverbots kurz oder auch über Nacht in der Straße abgestellt oder geparkt werden.
Auf Hinweise der Anwohnenden, dass eine Durchfahrt in der Straße sowie das Parken dort nicht zulässig ist, wird zum Teil beleidigend reagiert“, stellte die SPD-Fraktion im Leipziger Stadtrat in ihrer Anfrage zu diesem Problem an die Stadtverwaltung fest.
Dort kennt man die Probleme. Sie sind ja nicht einzigartig. Sie treten überall im Stadtgebiet auf, wo motorisierte Zeitgenossen mit den Pilotprojekten einer vorsichtigen Verkehrsberuhigung nicht einverstanden sind. Und dass die Fußgängerzone der Merseburger Straße trotzdem noch als Durchfahrtsstraße benutzt wird, ist auch bekannt.
Problem: Lieferzeiten
Man arbeite an Lösungen, teilt das Mobilitäts- und Tiefbauamt auf die SPD-Anfrage hin mit: „Ordnungsamt und Mobilitäts- und Tiefbauamt stehen zu diesem Thema im Austausch. Bisher zeigt sich, dass es in Teilen noch Akzeptanzprobleme mit der neuen Fußgängerzone gibt. Die Anliegenden haben die Möglichkeit, die Fußgängerzone Mo.–Fr. von 10 bis 16 Uhr und Sa. von 8 bis 12 Uhr zum Zwecke des Lieferverkehrs zu befahren.
Außerhalb dieser Zeiten finden regelmäßig Kontrollen des ruhenden Verkehrs statt. In Bürgergesprächen wurde an die Stadtverwaltung herangetragen, dass die eingeräumten Lieferzeiten gerade für berufstätige Menschen nur schwer nutzbar sind und man sich hier eine Veränderung wünschen würde. Die Straßenverkehrsbehörde prüft das Anliegen.
Mit Einrichtung der Fußgängerzone wurden die Beschränkungen des ruhenden Verkehrs intensiv kontrolliert. So sind von September 2024 bis März 2025 sind an mindestens 40 Tagen insgesamt 124 Fallerfassungen erfolgt und es wurden drei Fahrzeuge abgeschleppt.“
Mehr Sichtbarkeit für das Einfahrtverbot
Und weil einige Zeitgenossen deutlichere Zeichen brauchen, dass sie nicht einfach gedankenlos durch diesen Straßenabschnitt fahren dürfen, plant das Mobilitäts- und Tiefbauamt auch einige bauliche Veränderungen, die das Einfahrtverbot besser sichtbar machen.
So sollen die Einmündungen in die Fußgängerzone zu Gehwegüberfahrten umgebaut werden, teilt das Mobilitäts- und Tiefbauamt mit: „Derzeit wird der Umbau beider Einmündungen in den Bereich der Fußgängerzone vorbereitet. Ziel ist es, die Gehwege entlang der Karl-Heine- und Aurelienstraße durchzuziehen, sodass hier keine klassische Fahrbahneinmündung mehr sichtbar ist.
Durch die Gehwegüberfahrt soll die Fußgängerzone besser als solche erkannt und verdeutlicht werden, dass die regen Fußverkehrsströme entlang der Karl-Heine-Straße gegenüber allen anderen Verkehrsteilnehmenden bevorrechtigt sind. Abhängig vom Zeitpunkt der Haushaltsgenehmigung soll dies an der Karl-Heine-Straße noch in diesem Jahr, an der Aurelienstraße im kommenden Jahr umgesetzt werden.“
Auch die Beschilderung „Lieferverkehr frei“ soll angepasst werden: „Die missverständliche Zusatzbeschilderung wird angepasst, in dem die dafür geltende Zeit in der Reihenfolge erst nach dem Schild ‚Lieferverkehr frei‘ angebracht wird. Dadurch soll eindeutiger sichtbar sein, dass die Fußgängerzone dauerhaft gilt, jedoch in den angegebenen Zeiten für den Lieferverkehr freigegeben ist.“
Und das Schild an der Aurelienstraße soll versetzt werden und eine S-Linie über die Einmündung angelegt werden: „In der Einmündung Aurelienstraße wird das Schild zur Fußgängerzone zum eigentlichen Widmungsbeginn um 5 m in Richtung Aurelienstraße versetzt und im Vorgriff auf die Baumaßnahme an der Aurelienstraße wird eine durchgezogene S-Linie angeordnet (weißer Strich), um das allgemeine Durchfahrtsverbot zu kennzeichnen.“
Ansonsten reagiere das Ordnungsamt, wenn über das Ordnungstelefon Meldungen zu unerlaubt parkenden Fahrzeugen eingehen. „Solche Meldungen werden umgehend an die Verkehrsüberwachung weitergeleitet, die je nach Verfügbarkeit von Beschäftigten operative Aufträge auslöst. Die bei der Verkehrsüberwachung eingehenden Bürgerbeschwerden werden im Rahmen der Einsatzplanung für die Streifengänge berücksichtigt.“
Wenn freilich Kraftfahrer hier auch noch mit überhöhter Geschwindigkeit durchbrettern, sei das ein Fall für die Polizei.
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Es gibt 3 Kommentare
Auch in Leipzig gibt es Beispiele, so z.B. die Zufahrten von der Bonaischen Straße in die westlichen Teile der Stockartstraße und Pfeffingerstraße.
@Urs
Eine Gehwegüberfahrt ist, zumeist an Kreuzungen, eine Erhöhung der Fahrbahn. Es wird dadurch erreicht, dass z. Bsp. in Wohngebieten und verkehrsberuhigten Bereichen beim Überqueren einer Straße nicht mehr “herabgestiegen” werden muss. Dadurch wird ein gewisser Vorrang der Fußgänger vor dem Auto sichtbar gemacht. Klappt bei unseren nördlichen Nachbarn eigentlich sehr gut. Radfahrer, die im übrigen schon immer unterhalb der Bordsteinkante fahren müssen, kein Problem, denn die Dinger sind abgerundet. Gefährlich sind ganz andere Stellen…
Ist eine Gehwegüberfahrt sowas wie eine Bordsteinkante, lieber Autor? Das wäre gefährlich, da ja nun leidigerweise die Radfahrer seit ein paar Jahren alle unterhalb der Bordsteinkante fahren müssen, bliebe denen dann im Grunde kein Platz, um einen stumpfen Anstellwinkel einzunehmen um in die Merseburger Straße einzubiegen. Und könnten Sie mal die Nummer des Ordnungstelephons publizieren? Ich würde gern die Leitung dauerbesetzen.