Thomas Oelzner ist gestorben. Wer ist Thomas Oelzner, würden fast alle auch vor der Wende fragen? Thomas Oelzner war ein Teil des Duos Ulrike und Thomas Oelzner, berühmte Glasgestalter, die aber zu Hause keiner kennt, und jetzt erst recht nicht. Alles aus Glas – einst so kostbar wie Gold -, ist schon lange zur Massenware geworden und jeder glaubt zu wissen, was Glas ist: zerbrechlich! Das war es!

Wir sind so umgeben von Glas, das es uns nicht mehr möglich ist, darin etwas Besonderes zu erkennen, sich vorzustellen, dass es mitunter zwei Partner der besonderen Art verlangt, weil sonst das erstrebte Ziel nicht zu erreichen ist, da an dem notwendigen Schaffensprozess jede sonstige Partnerschaft über kurz oder lang scheitert. Nur Eheleute, und da auch nicht jede, halten auf Dauer aus, was beim speziellen Glasblasen geschieht: Wenn der, der oben steht und mit ständig sanfter Bewegung die Pfeife dreht und dabei gefühlvoll und hoch konzentriert in sie hinein bläst, in steter Angst, dass ihm der noch nicht fertig geformte Glasklumpen von der Pfeife fällt, während der, oder besser, die andere, unten am anderen Ende der langen Pfeife im genau richtigen Moment die Formen und den Überfang zureicht, dabei den sanften Bewegungen folgend, dass es aussieht, als würden zwei Schwäne miteinander tanzen.

Und wenn dann doch etwas daneben geht und der oben nach unten mit einem fürchterlichen Schrei seiner Anspannung Luft verschafft! Wer soll das aushalten auf die Dauer?

Und noch einmal so spannend – dass einem der Atem still steht – wird es, wenn der von oben mit dem fertigen Produkt an der Pfeife wie ein Schwan durch die Halle hin zum Kühlband schwebt. Kaum zu beschreiben, der schmerzvolle Schrei, wenn kurz vor dem Band dann das fertig geglaubte Produkt doch noch von der Pfeife fällt und am Boden zerbirst. Und alles im Halbdunkel einer Halle, die überhitzt und beleuchtet wird von den offenen, glühenden Schmelzöfen, gepaart mit den fließenden, wie Schwäne tanzenden Bewegungen, der Glasgestalter.

Wer weiß davon, wenn er an Glas denkt oder gar an die Herstellung einer hochkomplizierten, mit besonderen Überfängen versehenen Glasplastik? Wer denkt schon an Glas, wenn er durchs Fenster schaut? Glasplastik ist deshalb ab einer bestimmten Form des mundgeblasenen und handgemachten Einzelstückes etwas, im besten Sinne des Wortes, Extraordinäres. Glücklich, wer etwas davon besitzt!

Oelzners Glasplastiken waren einst so begehrt, dass die Oelzners eine zeitlang eine eigene Abteilung bei Lobmeyr in Wien besaßen. Zu Hause wusste und weiß man nichts davon. Ebenso, wie kaum einer weiß, dass auch das zur Geschichte der Leipziger Schule gehört. Denn der Begriff „Leipziger Schule“ umfasst nicht nur, wie viele glauben, die Malerei, auch Künstler wie Ulrike (1939 – 2012) und Thomas Oelzner (1939 – 2025) gehören dazu.

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Wikipedia über das Wirken von Ulrike und Thomas Oelzner in Leipzig: „Mit ihm gründete sie nach dem Diplom als Formgestalterin 1965 in Leipzig ein Atelier für Gestaltung, in dem sie freiberuflich Schmuck und Gebrauchsgegenstände, unter anderem Emailarbeiten, entwarfen und herstellten. Daneben machten beide vor allem mit plastischen Arbeiten für den öffentlichen Raum, z. B. Wasserspiele und Raumteiler, in damals neuartigen Materialkombinationen wie Beton und Metall, auf sich aufmerksam. Ab 1972 widmeten sie sich der künstlerischen Glasgestaltung. Dafür arbeiteten sie regelmäßig in Thüringer und Lausitzer Glashütten. Ab 1981 hatten sie am Rosental in Leipzig ein eigenes Glasstudio speziell für kalte Veredelungstechniken (Hüttenglas). Dabei fanden sie von Gebrauchsgegenständen wie Vasen, Becher, Flaschen etc. bald zur freien Plastik.“

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