Anlässlich des internationalen Tags der Pressefreiheit am heutigen 3. Mai 2025 schlägt die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di der Bundesländer Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen Alarm: Journalist/-innen in Mitteldeutschland erfahren eine gefährliche Verschlechterung der Arbeitsbedingungen. Schon am Freitag, dem 2. Mai, veröffentlichte „Reporter ohne Grenzen“ die aktuelle Rangliste der Pressefreiheit, in der Deutschland gegenüber 2024 wieder einen Platz einbüßte. Und das aus denselben Gründen, welche auch die dju benennt.
Das Europäische Zentrum für Presse- und Medienfreiheit (ECMPF) spricht in seiner aktuellen Studie „Feindbild Journalist:in 9“ von bundesweit 98 physischen Angriffen auf Medienschaffende. Ein alarmierender Höchststand seit Beginn der Erhebung des ECPMF im Jahr 2015. Nach Berlin ist das Bundesland Sachsen mit zehn dokumentierten Fällen das zweitgefährlichste Bundesland für Journalist/-innen.
„Wir in Ostdeutschland nehmen wahr, dass insbesondere bei Demonstrationen in den ländlich geprägten Regionen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ein extrem hohes Gefahrenpotenzial für Journalist/-innen besteht“, sagt Lucas Munzke, Gewerkschaftssekretär der dju in Mitteldeutschland. Dies zeigt auch die Studie „Nahaufnahme Deutschland 2025“ von Reporter ohne Grenzen (RSF), welche erst Anfang April vorgestellt wurde.
„Es ist gefühlte Normalität geworden, dass in gewissen Regionen eine Berichterstattung auf Demonstrationen oft nur noch mit entsprechendem Begleitschutz möglich ist. Das hat gravierende Folgen für unsere Pressefreiheit“, führt der Gewerkschaftssekretär aus.
Deutschland verliert einen Platz in der Rangliste der Pressefreiheit
Reporter ohne Grenzen fasste das Problem für Deutschland in der am 2. Mai veröffentlichten Rangliste der Pressefreiheit für 2025 so zusammen: „Deutschland belegt Platz 11 – ein Rückschritt um einen Rang. Auch wenn Deutschland im globalen Vergleich gut dasteht, gibt es sichtbare Herausforderungen. Viele Medienschaffende bewegen sich in einem zunehmend feindlichen Arbeitsumfeld.
Auch 2024 waren erneut diejenigen Journalistinnen und Journalisten gefährdet, die sich mit rechtsextremen Milieus und Parteien wie der AfD beschäftigten: Sie berichten von Feindmarkierungen, Bedrohungen, Beleidigungen und Angst vor körperlicher Gewalt. Auch auf redaktioneller Ebene verschärfte sich das Klima. RSF dokumentierte zahlreiche Fälle, in denen Medienschaffende über unverhältnismäßig hohe Hürden bei der Berichterstattung zum Nahostkonflikt berichteten.“
Aber dazu kommt noch etwas, was die politisch Verantwortlichen seit Jahr und Tag ignorieren: Der unabhängigen Medienlandschaft geht inzwischen finanziell die Puste aus.
„Weitere alarmierende Entwicklungen betreffen die wirtschaftliche Situation für Medienhäuser. Diese hat sich in den vergangenen Jahren spürbar verschlechtert: Der Rückgang klassischer Einnahmequellen, insbesondere im Printbereich, trifft vor allem Lokal- und Regionalzeitungen. Deren Zahl nimmt seit der Wiedervereinigung stetig ab. Inzwischen gelten fast die Hälfte aller Landkreise als Einzeitungskreise.
Gleichzeitig dominieren große US-Plattformen wie Google, Facebook und Instagram den digitalen Werbemarkt. Sie binden einen Großteil der Einnahmen und der Aufmerksamkeit, vor allem in jüngeren Zielgruppen, die Informationen zunehmend kostenfrei über soziale Medien konsumieren.
Auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk gerät unter politischen und finanziellen Druck: Die geplante Beitragserhöhung wurde bis 2027 ausgesetzt, ein Sparkurs droht besonders Kultur- und Regionalprogramme zu treffen.“
Reformen dringend notwendig
Von der neuen Bundesregierung erwartet Reporter ohne Grenzen ein ganzes Bündel von Reformen, mit dem der Journalismus wieder gestärkt werden kann. „Aus RSF-Sicht gehören dazu eine steuerliche Förderung für gemeinnützigen Journalismus, eine plattformunabhängige Unterstützung für Medien sowie eine Reform des Medienkonzentrationsrechts. Um freie und unabhängige Berichterstattung sicherzustellen, müssen Journalistinnen und Reporter besser vor Übergriffen geschützt werden, insbesondere am Rande von Kundgebungen oder bei investigativen Recherchen.
Außerdem müssen Medienschaffende wirksam vor Einschüchterungsklagen (sogenannten SLAPPs) geschützt werden. Bei der Umsetzung der EU-Anti-SLAPP-Richtlinie brauchen Betroffene nicht nur verbesserte rechtliche Rahmenbedingungen, sondern auch einfachen Zugang zu Beratung und Unterstützung.“
Einschüchterung und Abschreckung
Die Einschüchterung von Journalist/-innen in Mitteldeutschland aber kommt aus Sicht der dju nicht von ungefähr. Denn damit versuchen speziell rechtsradikale Gruppierungen eine unabhängige Berichterstattung über sich und ihre Aktivitäten zu verhindern.
Berichte von Betroffenen zeigen zusätzlich eine Zunahme an Bedrohungen und Einschüchterungsversuchen. All dies führt laut der ver.di-Landesfachgruppenvorsitzenden Carmen Salas, unter anderem zuständig für die dju, dazu, dass sich Journalist/-innen genau überlegen, auf welche Demonstration sie fahren und wie groß die möglichen Gefahren sind.
„Im Zweifel sehen die Kolleg/-innen mittlerweile lieber von einer Berichterstattung ab.“ Weiter führt sie aus: „Gerade junge Journalist/-innen mit Migrationsgeschichte überlegen sich genau, ob sie unter diesen Bedingungen diesen Beruf ausüben können. Das darf so nicht bleiben.“
„Wenn nicht mehr aus den kleinen, aber so bedeutenden Orten in Ostdeutschland berichtet wird, entstehen graue Flecken. Diese Flecken bedeuten, dass dort einfach keine Berichterstattung mehr stattfindet bzw. die Berichterstattungsvielfalt dramatisch abnimmt. Dabei sind gerade Medien der demokratische Erfolgsfaktor, für die Meinungsbildung in der Bevölkerung“, ordnet Lucas Munzke die Folgen ein.
Für die Pressefreiheit sei die Berichterstattung von Wahlveranstaltungen politischer Parteien von großer Bedeutung. Es sei besorgniserregend, wenn die AfD Thüringen dies kürzlich zu verhindern versuchte. Betroffen waren im August letzten Jahres Kolleg/-innen von WELT, Spiegel, taz und der BILD. Zurecht bewertete das Landgericht Erfurt dieses Vorgehen als unzulässig.
Forderungen der dju
Die dju in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen fordert insbesondere die Landesregierungen und Kommunalparlamente auf, endlich ernsthafte Maßnahmen zum Schutz der Pressefreiheit und Journalist/-innen zu treffen. „Es ist höchste Zeit, zu handeln. Noch ist es nicht zu spät“, gibt Munzke zu verstehen.
Konkret fordert die dju:
Rechtliche Konsequenzen durchsetzen: ausnahmslose Verfolgung von Angriffen und Behinderungen von Journalist/-innen durch die Justiz
Rechtliche und psychologische Hilfe: verpflichtende Errichtung regionaler Anlaufstellen für Journalist/-innen
Für Bildung sorgen: In Schule, Bevölkerung und Polizei braucht es Bildungsinitiativen, um die demokratische Rolle der Medien konsequent zu stärken.
Die dju in ver.di ruft außerdem die Zivilgesellschaft, Medienhäuser und politische Entscheidungsträger/-innen auf, zusammen für den Schutz von Journalist/-innen zu sorgen – nicht nur am internationalen Tag der Pressefreiheit, sondern an jedem Tag.
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