In der Hohmannstraße im Stadtteil Eutritzsch sollen in einem ehemaligen Bürogebäude bis zu 210 geflüchtete Menschen untergebracht werden. Die AfD lehnt das ab und argumentiert wieder einmal damit, dass die Sicherheit von Nachbar*innen gefährdet sei. Ein Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit zeigt aber, dass solche „Bedenken“ offenbar unbegründet sind.

„Sicherheit für Eutritzsch – Keine Asylunterkunft in der Hohmannstraße!“ heißt der Antrag, über den der Stadtrat am Mittwoch, dem 12. Februar, abstimmen soll. Die AfD möchte damit den Oberbürgermeister „ersuchen“, die Einrichtung der Asylunterkunft in Eutritzsch zu „vermeiden“.

Die angebliche Angst um Schülerinnen

Als Grund für ihre Bedenken nennt die AfD eine Berufsschule in direkter Nachbarschaft zum geplanten Standort. Gemeint ist offenbar eine Ausbildungsstätte für Erzieher*innen und Pfleger*innen. Die Auszubildenden dort seien überwiegend weiblich, die Identitäten der Geflüchteten seien oftmals ungeklärt. Warum letzteres eine Gefahr für die Schülerinnen darstellen soll, erklärt die AfD in ihrem Antrag nicht.

Dass eine Asylunterkunft eine Gefahr für benachbarte Einrichtungen sei, behaupten Rechtsradikale immer wieder. So mobilisierte beispielsweise die NPD (heute: „Die Heimat“) im Jahr 2013 gegen eine Notunterkunft in Schönefeld, die sich in der Nähe einer Schule befand.

AfD war auch in Stötteritz dabei

Aber auch die AfD ist bei solchen Protesten häufig mit dabei. Anfang 2023 machte sie Stimmung gegen eine Notunterkunft in Stötteritz: sowohl mittels Anfrage im Stadtrat als auch bei Informationsveranstaltung und Demonstration. Laut LVZ verteilte AfD-Stadtrat Marius Beyer Flugblätter, auf denen zu lesen war, dass die Nachbarschaft zu Seniorenheim, Hallenbad und Grundschule „Sorgen“ bereiten würde.

Die Leipziger Zeitung hat bei der Polizeidirektion Leipzig nachgefragt, ob diese Sorgen berechtigt waren. Demnach ist die Anzahl der strafrechtlich relevanten Vorfälle zwischen den genannten Gruppen: null.

Studien untersuchen Verhältnis zu Geflüchteten

Möglicherweise verfolgt die AfD das Ziel, im Vorfeld Stimmung gegen Geflüchtete zu machen, weil das tatsächliche Zusammenleben nicht die Konsequenzen hat, die sich die AfD vielleicht erhofft. Eine Studie aus dem Jahr 2023 zeigt, dass eine Unterkunft in der Nachbarschaft die Ablehnung gegenüber Geflüchteten nicht vergrößert. Es gebe sogar Hinweise, dass in solchen Fällen speziell in Ostdeutschland die Zustimmung steigt.

Verhindern kann die AfD solche Einrichtungen sowieso nicht. Wie die Fraktion in ihrem Antrag selbst feststellt, darf allein die Verwaltung entscheiden, wo und wie Asylbewerber*innen untergebracht werden. Der Antrag selbst ist also eher symbolisch.

Übrigens: Die Zahl der Angriffe auf Asylunterkünfte ist im vergangenen Jahr deutlich gestiegen. Laut Polizei kam es 2024 in Deutschland zu 218 politisch motivierten Straftaten. Dabei wurden 14 Menschen verletzt, darunter eine Person aus jener Gruppe, die die AfD angeblich besonders schützen möchte: Kinder.

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Es gibt 3 Kommentare

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Studienlage nicht eindeutig ist, im Gegenteil, Metastudien zeigen, dass die Unterbringung Geflüchteter in der “Nachbarschaft” zu signifikanten Problemen führt. Empirisch gut und dich beschrieben wird das in der 20ß24 erschienen Studie “Flüchtlingsunterkünfte und sozialräumliche Konflikte. Möglichkeiten und Grenzen dialogischer Beteiligungsprozesse”. Dort heißt es zusammenfassend: “Die Unterbringung und Integration von Geflüchteten stellt eine solche Herausforderung für die Stadtgesellschaft dar. Betrieb und Neubau von Flüchtlingsunterkünften werden oft von komplexen Konflikten begleitet.”
Besonders interessant scheinbt mir diese Passage:
“Die Konfliktthemen umfassen insbesondere Ängste vor Kriminalität und Unsicherheit im
Quartier, aber auch Anliegen wie Lärm oder Sauberkeit und damit normale nachbarschaftliche Konflikte. Während die Befürchtungen der Anwohnerschaft über eine zunehmende
Kriminalität und Unsicherheit durch Asylbewerber:innen mit Blick auf Erfahrungen und
Kriminalstatistiken als in der Regel unbegründet eingeschätzt werden (vgl. Dehos 2018),
ordnen die befragten Expert:innen die konkreten Nachbarschaftskonflikte als nachvoll-
ziehbar ein. ‘[E]s ist teilweise auch eine Belastung, es ist teilweise auch laut in Unter-
künften. Es handelt sich ja nicht immer um Rechtsextreme oder von Rechtsextremismus
gefährdete Menschen, sondern es sind auch manchmal einfach genervte Menschen von
Lärm und Müll und so.’ (Befragte Person aus der Stadtverwaltung). Darüber hinaus gebe
es auch Konflikte der Flüchtlinge und Asylsuchenden untereinander.”

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