Die Staatsregierung plant im neuen Doppelhaushalt auch massive Kürzungen in der Suchthilfe und Psychiatrie: 2025 sollen die Landesmittel für die Suchthilfe von 10,2 auf 7,6 Millionen Euro sinken – ein Rückgang um 25 Prozent. Noch härter trifft es die projektbezogene Förderung: Hier werden die Mittel von 3,65 in 2024 auf nur noch 2,15 Millionen Euro in 2025 gekürzt, 2026 bleiben sogar nur noch 84.000 Euro übrig.
„Durch den aktuellen Haushaltsentwurf der Staatsregierung für 2025/26 steht die Suchtprävention in Sachsen für das kommende Jahr vor dem Aus“, stellte schon die Sächsische Landesstelle gegen die Suchtgefahren e. V. (SLS) erschrocken fest. Das Thema alarmierte auch die Grünen im Sächsischen Landtag.
„Die Pläne der Koalition aus CDU und SPD sehen die vollständige Streichung der Fach- und Koordinierungsstelle Suchtprävention Sachsen mit der mobilen Ausstellung zur Suchtprävention GLÜCK SUCHT DICH für 2026 vor – obwohl der große Nutzen von Präventionsangeboten wissenschaftlich belegt ist (z.B. durch eine Studie des Bundesministeriums für Gesundheit).
Damit geht ein zentraler Baustein der Gesundheitsförderung und Prävention im Freistaat Sachsen ersatzlos verloren“, konstatierte die Sächsische Landesstelle gegen die Suchtgefahren e.V. (SLS), als sie das entsprechende Kapitel im Haushaltsentwurf für 2025/2026 genauer in Augenschein nahm.
„Die geplante Streichung der sächsischen Suchtprävention ist gleichbedeutend mit dem Wegfall der essenziellen Unterstützung für schätzungsweise 132.500 betroffene Kinder und Jugendliche im Freistaat, die durch die Belastungen in ihren Familien ein deutlich höheres Risiko aufweisen, eine Sucht- oder eine andere psychische Erkrankung zu entwickeln.
Weiterhin würden die über viele Jahre aufgebauten regionalen und überregionalen Strukturen in Sachsen ersatzlos zerstört und Suchtprävention damit zum Spielball kommerzieller Akteure. Diese Entwicklung stünde im Widerspruch zum sächsischen Koalitionsvertrag, der die Stärkung der Suchthilfe sowie den Ausbau der Prävention mit Orientierung an Familien vorsieht.“
Der Koalitionsvertrag von CDU und SPD 2024 bis 2029.
Beratungsangebote auf der Kippe
Bis zur geplanten Abstimmung über den Landeshaushalt im Juni im Sächsischen Landtag besteht noch die Möglichkeit, das drohende Szenario eines baldigen Endes der suchtmittelspezifischen und universellen Suchtprävention in Sachsen abzuwenden, so die Sächsische Landesstelle gegen die Suchtgefahren e. V.
Diese sollte dringend genutzt werden – auch in Anbetracht der zukünftig zu erwartenden, vielfach höheren Kosten für das Gesundheits- und Sozialversicherungssystem, bedingt durch steigende Inzidenzen der Suchterkrankungen und einer fehlenden Präventionsarbeit für eine gesunde Persönlichkeitsentwicklung.
Und auch Christin Melcher, sozialpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag, kritisiert dieses Vorgehen scharf: „Die geplanten Kürzungen gefährden bewährte Beratungsangebote, untergraben Präventionsarbeit und setzen kommunale Strukturen unter Druck. Vor allem im ländlichen Raum drohen Versorgungslücken. Die Kommunen werden diese Lücke nicht schließen können. Diese verantwortungslose Kahlschlag-Politik wird gravierende soziale und gesundheitliche Folgen haben. Wir Bündnisgrüne setzen uns in den Haushaltsverhandlungen für die Sicherung der Suchthilfestrukturen ein.“
Auch aus ihrer Sicht ist die ersatzlose Streichung suchtpräventiver Angebote für Kinder und Jugendliche besonders kritisch: „Wer hier kürzt, gefährdet frühzeitige Aufklärung und riskiert langfristig höhere Belastungen im Bereich der Akutversorgung, in der Schule und der Jugendhilfe. Suchtprävention ist eine Investition in eine gesunde Entwicklung.“
Streichungen für Deckungslücke
Auf die Anfrage von Christin Melcher in Bezug auf diese Radikalkürzungen, antwortete der stellvertretende Ministerpräsident Dirk Panter selbst: „Aufgrund der Haushaltslage besteht Konsolidierungsbedarf auch für die nächsten Jahre. Zur Schließung der Deckungslücke hat sich das Kabinett auf ein Konzept zur Schließung der Deckungslücke verständigt. In dessen Umsetzung waren eigenverantwortlich durch die Ressorts Prioritäten bzw. Schwerpunkte zu setzen.
Im Zuständigkeitsbereich des Staatsministeriums für Soziales, Gesundheit und Gesellschaftlichen Zusammenhalt (SMS) hat die Landesregierung im Rahmen eines Vorwegabzugs einen Teil des Gesamtbudgets (‚sonstige Ausgaben‘) für die als prioritär eingestuften Sonderbedarfe ‚Jugend‘ und ‚Gewaltschutz‘ eingesetzt. Der verbleibende Finanzrahmen innerhalb des dem SMS zur Verfügung stehenden Budgets wurde durch eine ressortinterne Prioritätensetzung haushaltsstellenkonkret verteilt.“
So etwas kommt dabei heraus, wenn man im Sozialbereich „Prioritäten“ setzt und den Finanzrahmen deutlich verknappt.
Wie will dann aber die Regierung die im Koalitionsvertrag 2024–2029 angekündigte Stärkung der Suchthilfe und den Ausbau der Suchtprävention konkret umzusetzen, wollte Christin Melcher wissen. Und wurde vertröstet: „Die Frage berührt den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung, weil der Prozess der Willensbildung innerhalb der Staatsregierung betroffen ist. Die Umsetzung der im Koalitionsvertrag vereinbarten Vorhaben ist noch Gegenstand von Abstimmungen, die letztlich auch erst nach Kenntnis der tatsächlich verfügbaren Haushaltsmittel hinreichend konkret werden können“, antwortete Panter.
Was ja wohl bedeutet, dass die Förderung der Suchthilfe nur wieder angegangen wird, wenn sich doch noch ein paar Mittel im Haushalt finden, mit denen niemand gerechnet hat.
Das beruhigt auch Thomas Löser, gesundheitspolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag, keineswegs: „Mit den Kürzungen fallen wohnortnahe Angebote weg und es fehlen Gelder für die Sozialpsychiatrischen Dienste und die psychosozialen Kontakt- und Beratungsstellen in den Landkreisen und kreisfreien Städten.
Leidtragende werden die Betroffenen und Angehörigen von psychisch Erkrankten sein. Engpässe in der ambulanten und stationären Versorgung werden sich zuspitzen. Psychische Erkrankungen können sich damit chronifizieren und führen dann zu länger andauernden Behandlungen. Wir Bündnisgrüne werden uns gegen diese Kürzungen auf Kosten der Gesundheit stellen.“
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