Die Bundestagspräsidentin Julia Klöckner ist eine Frau mit steiler politischer Karriere, die vieles von dem verkörpert, was an Mitgliedern der Ampel-Regierung kritisiert wurde. Mangelnde Erfahrungen außerhalb der Politik gehört dazu. Jetzt kritisiert sie die Kirchen für ihr politisches Engagement. Sie muss ja wissen, welche Aufgaben die Kirchen haben, schließlich hat sie unter anderem katholische Theologie studiert.
Für eine studierte Theologin ist die vom Spiegel zitierte Aussage „Klar kann sich Kirche auch zu Tempo 130 äußern, aber dafür zahle ich jetzt nicht unbedingt Kirchensteuer“ bemerkenswert. Fachlich gesehen müsste sie in der Lage sein, den Menschen zu erklären, wofür diese Kirchensteuern überhaupt bezahlen. Das macht sie nicht, also schauen wir nach.
Die Deutsche Bischofskonferenz, sozusagen die höchste nationale Autorität für deutsche Katholikinnen und Katholiken, sagt dazu:
„Damit die Kirche ihre vielfältigen Aufgaben erfüllen kann, benötigt sie die engagierte Mitarbeit von Menschen und eine sichere Finanzierungsgrundlage. Diese Grundlage bildet in Deutschland die Kirchensteuer. Die Kirchensteuer ist eine Abgabe der Kirchenmitglieder für ihre Kirche. Sie ist keine staatliche Subvention, sondern ein Mittel der Finanzierung der Kirche durch ihre Mitglieder.“
Es ist also ein rein privates Empfinden von Frau Klöckner, wenn sie meint, sie bezahle diese Steuer für irgendetwas, was ihr gefallen müsse. Diese Betrachtungsweise ist für eine hohe politische Amtsträgerin durchaus kritisch zu betrachten: Sie könnte ja in die Verlegenheit kommen, den Bürgerinnen und Bürgern zu erklären, dass die Steuereinnahmen des Staates generell nicht nach deren Gefühlslagen verwendet werden. Das aber nur am Rande.
Der zweite Teil der zitierten Aussage ist noch seltsamer: „Ich glaube, von Kirche erwartet man sich diese sinnhafte Begleitung, diese Antwort auf Fragen, die ich in meinem Alltag habe, vielleicht auch Trost und Stabilität.“
Er beginnt mit „Ich glaube, … man …“: Hier geht es um einerseits den Glauben, der ja dem Katholizismus inhärent ist, und sie glaubt, dass andere etwas erwarten. Was erwarten diese? Sie erwarten sinnhafte Begleitung und Antwort auf Alltagsfragen, so könnte man diesen Satz zusammenfassen.
Was sind Sicherheit im Straßenverkehr, besonders für die schwächeren Verkehrsteilnehmer, Schutz der Umwelt – gern auch als Bewahrung der Schöpfung bezeichnet –, Eintreten für Menschenrechte und Erhaltung des Sozialstaates? Sind das keine Alltagsfragen, Frau Klöckner?
Das Schöne an unserer Republik ist ja eben, dass die Kirchen den Status von NGOs haben. Sie sollen sich von außerhalb der Regierung stehend einmischen. Ob die Inhalte einzelnen Menschen gefallen oder nicht, ist dabei egal. Lassen wir den Sonderstatus der Kirchen bei vielen Dingen hier einfach mal beiseite.
Es ist durchaus gut, dass Kirchen quasi NGOs sind, wer wünscht sich schon eine Theokratie zurück? Spannend ist also, was Julia Klöckner kritisiert: Sie kritisiert, dass sich Kirchen einmischen. Institutionen die, ob es uns gefällt oder nicht, Millionen Menschen repräsentieren. Allerdings kritisiert sie diese nur, wenn die Einmischung den eigenen politischen Interessen zuwider läuft.
Einen bayerischen Priester, der in der Frühmesse am Wahlsonntag seine Gemeinde zur Wahl der CSU aufruft, den würde sie wohl nicht kritisieren.
Fazit: Die Meinung der Bürgerin Julia Klöckner ist eine legitime, als solche hätte die Bild sie eher nicht befragt. Für die Bundestagspräsidentin sind es, vorsichtig gesagt, seltsame Aussagen.
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