Am 31. Januar lehnte der Bundestag das von der CDU eingebrachte „Zustrombegrenzungsgesetz“ mit einem knappen Ergebnis von 338 zu 349 Stimmen ab. Die Meldungen überschlagen sich in den Medien, einige konstruieren schon wieder eine „Dolchstoßlegende“, wahlweise gegen Merz oder Lindner und andere jubeln ob des Ausgangs. Schaut man sich das Abstimmungsergebnis an, dann gibt es zum Jubel keinen Grund. Trotz eines agnostischen Autos sei in diesem Artikel wieder mal ein Bibelzitat, Grüße an die Parteien mit dem C im Namen, angebracht.

Bei Matthäus 5 heißt es: „Es sei aber eure Rede: Ja, ja; nein, nein; was aber mehr ist als dieses, ist aus dem Bösen.“ Der kannte weder Enthaltungen noch Nichtteilnahme (trotz Anwesenheit) an Abstimmungen.
Sieht man die namentliche Abstimmung zum Gesetzesvorschlag, dann stehen dort 5 Enthaltungen und 41 nicht abgegebene Stimmen, davon: SPD 0/5, CDU/CSU 0/12, Bündnis 90/Die Grünen 0/2, FDP 5/16, AfD 0/1, BSW 0/3, Linke 0/1, fraktionslos 0/2.

Die Zahlen sind nicht eindeutig, sie betreffen sowohl nicht anwesende, als auch nicht an der Abstimmung teilnehmende Abgeordnete. Im Falle von CDU/CSU waren zwei nicht anwesend.

Stellen wir dem Ergebnis das der Abstimmung über den 5-Punkte-Plan (Entschließungsantrag der Fraktion CDU/CSU) vom 29. Januar gegenüber, dann finden wir dort, bei einer Zustimmung mit 348 zu 344 Stimmen, 10 Enthaltungen und 31 nicht abgegebene Stimmen. Diese teilen sich auf in: SPD 0/7, CDU/CSU 0/8, Bündnis 90/Die Grünen 0/2, FDP 2/8, AfD 0/1, BSW 8/2, Linke 0/2, fraktionslos 0/1.

Es gibt leider auf der Seite des Bundestages keine Aussage über die Anwesenheit von Abgeordneten, am Tage der Abstimmung (s.o.), deshalb sind die nachfolgenden Betrachtungen zu den Zahlen etwas unscharf.
Es ist trotzdem festzustellen, dass am 29. Januar eine Anzahl von Abgeordneten eindeutig ihren Willen, Menschen, deren Asylanträge abgelehnt wurden, bis zu ihrer Abschiebung in Lager zu stecken, ausdrückten. Dieselben Abgeordneten lehnten es aber ab, ein Gesetz zur Durchsetzung ihres Willens zu beschließen, beziehungsweise enthielten sie sich ihrer Stimme oder stimmten nicht ab.

Gehört das alles zum Wahlkampf?

Ja, es mag sein, dass einige derer, die sich enthalten haben oder nicht abgestimmt haben, nicht vor der Bundestagswahl ein Gesetz mit den Stimmen der AfD durchbringen wollten. Aber was ändert das?
Am 29. Januar stimmten von 702 Abgeordneten, die teilnahmen, 348 dem 5-Punkte-Plan zu, am 31. Januar nahmen 692 Abgeordnete an der Abstimmung teil, davon stimmten 338 mit Ja.

Drei Abgeordnete der CDU, die vorher zustimmten, nahmen trotz Anwesenheit nicht teil. Es ist anzunehmen, dass die Nein-Stimme der ersten Abstimmung nicht teilnahm. Bei der FDP enthielten sich bei der Abstimmung über das Gesetz drei Abgeordnete mehr und weitere acht nahmen zusätzlich nicht teil. Nimmt man an, dass die zwei Nein-Stimmen der FDP den Abgeordneten gehören, die sich beim 5-Punkte-Plan enthielten, dann steigt die Anzahl derer, die sich beim Gesetz enthielten sogar auf fünf.

Rechnen wir das zusammen, dann kommen wir allein aus CDU/CSU und FDP auf 16 Abgeordnete, die prinzipiell der Verschärfung der Migrationspolitik, gemäß dem 5-Punkte-Plan zustimmen, aber dem Gesetz, das diesem eine Rechtsgrundlage geben würde, ihre Stimme verweigerten.

Fazit: Es gibt keinen Grund zur Beruhigung. Auch wenn das „Zustrombegrenzungsgesetz“ am 31. Januar im Bundestag keine Mehrheit bekam: Bei der derzeitigen Sitzverteilung gibt es eine Mehrheit dafür. Ob sich das bei der Bundestagswahl am 23. Februar ändert, das liegt bei den Wählerinnen und Wählern.

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Die Stelle bei Matthäus: „Es sei aber eure Rede: Ja, ja; nein, nein; was aber mehr ist als dieses, ist aus dem Bösen.” dreht sich um die Problematik des Schwörens, denn ein heiratswilliges Paar gibt sich ein Versprechen, keinen Schwur und damit auch keine lange Rede. Um Enthaltungen geht es hier nicht, die werden in diese Kontext nicht mal als Option mitgedacht. Im Übrigen hat die Bibel und mit ihr die christliche Theologie mit den adiaphoroi ein mächtiges (begriffliches) Werkzeug zur Enthaltung parat und wendet es auf alles an, was weder gut noch böse ist – wovon wir hier in Leipzig angesichts des Adiaphoristischen Streits aus dem 16. Jahrhundert ja durchaus ein Lied singen können, wenngleich auf Latein, denn in der Sprache wurde damals jahrelang über die adiaphoroi gestritten, jene Dinge, die weder gut noch böse sind. Wobei wird nicht vergessen sollten, dass die christliche Theologie kein Böses an sich kennt (die hiesige Übersetzung bildet das leider nicht ab), sondern dass für sie das Böse immer nur ein Mangel an Gutem ist.
Mit anderen Worten: Wer mit Bibelzitaten um sich wirft, sollte den theologischen Kontext nicht vergessen. Bisschen weniger Meinung und teleologisches (nicht theologisches!) Hinschreiben der Texte auf ein moralisch hohes Ziel würden helfen. Erstmal die Welt anschauen und analysieren, nicht immer gleich mit der Bewertung um die historisch halbgare Ecke kommen.

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