Gemeinsam mit Julia Neigel und Toni Krahl macht die Kultband Silly auf ihrer elektroAKUSTIK-Tour am morgigen Dienstag noch einmal im Leipziger Gewandhaus Station. Im LZ-Interview sprachen wir mit Silly vorab unter anderem über die Wertigkeit von Kultur und über Raum zur Veränderung.
Euer Konzert in Leipzig im vergangenen Dezember war schnell ausverkauft, am 4. März seid ihr für ein Zusatzkonzert wieder in der Stadt. Habt ihr damit gerechnet, dass die Tour so erfolgreich sein wird?
Julia: Wir freuen uns natürlich sehr. Auch für uns war es ein besonderes Konzert in Leipzig – in diesem speziellen Umfeld, im Gewandhaus. Ich fand das sehr berührend. Dieser Raum, der nun wirklich extra für akustische Musik gebaut ist, bietet eine schöne Intimität. Als könnte man eine Stecknadel fallen hören (lacht). Das Publikum fühlte sich sehr nah an.
Man sagt mir ja nach, ich wäre eine radikale Optimistin. Ich gehe grundsätzlich mit der Einstellung ran: ‚Na klar wird das laufen‘, so auch dieses Mal. Ich erlebe diese Band von außen und noch immer bin ich erstaunt. Auch jetzt, wo ich seit sechs Jahren Teil dieser Band bin.
Ritchie: Nein, ich habe damit ehrlich gesagt nicht so fest gerechnet. Ich bin oft eher zurückhaltend im Inneren, um an Ende nicht enttäuscht sein. Umso schöner, dass wir jetzt zum zweiten mal innerhalb dieser Tour im Gewandhaus spielen dürfen.
Julia, du bist seit Jahren als Sängerin mit Silly auf Tour – wie empfindest du deine Rolle in der Band?
Julia: Ich fühle mich als Teil der Band und sehr zugehörig, sowohl intellektuell als auch emotional. Es gibt zahlreiche Schnittmengen, die uns verbinden – auch was unsere kulturelle Prägung betrifft. Zwar bin ich in der BRD aufgewachsen, empfinde viele Aspekte aber wie Uwe, Jacky und Ritchie.
Natürlich weiß ich, dass es eine geschäftliche Seite der Band gibt. Es sind ganz klar die drei Urgesteine der Band, die als langjährige Mitglieder auch alle Entscheidungen treffen. Als beständiger Gast fühle ich mich aber trotzdem als Teil des Ganzen. Und ehrlich gesagt – es ist auch toll, mal nicht die ganze Verantwortung zu tragen. Das gibt mir die Möglichkeit, mit einer großen Leichtigkeit heranzugehen und auch mal eine Perspektive von außen einzubringen.
Ritchie: Wir hinterfragen das ja auch nicht ständig. Wir sind alle zusammen eine Band, wenn wir unterwegs sind, da gibt es keine Unterscheidung. Wichtige Entscheidungen aber treffen wir zu dritt bzw. meist zu viert mit unserem Management. Und das ist manchmal schon schwer genug – wir sind ja ein demokratischer Verein (lacht).
Julia: Ich glaube, dem Publikum ist das am Ende auch egal. Die Band heißt Silly, die da auf der Bühne steht und das steht über allem. Ich habe absolut das Gefühl, hier als eigenständige Künstlerin mit meinem eigenen Flair gewünscht zu sein, nicht als Dienstleisterin.
Sicher wirst du diese Frage nicht zum ersten Mal hören: Spürst du noch das Erbe von Tamara Danz bzw. vielleicht den Druck, sie zu ersetzen?
Julia: Tamara soll auf keinen Fall vergessen werden. Ich finde es wichtig, sie weiterhin in ihrer Einzigartigkeit als Künstlerin in Ehren zu halten. Das gehört einfach zu einem großen Teil zur Geschichte und Identität dieser Band. Davor hatte ich nie Angst. Ich bringe meine eigene Note rein und stehe mit einer gewissen Unbedarftheit auf der Bühne. Auch der Vergleich durch Personen von außen kommt wirklich selten vor.
Ritchie: Es wird natürlich immer einzelne Personen geben, die Tamara vermissen – das tun wir alle – und diesen Wechsel nicht akzeptieren. Aber da denke ich einfach‚ sie ist leider keine Option. Und um es noch auf eine andere Ebene herunter zu brechen: Ohne Tamara wären diese Songs nicht entstanden. Ohne uns und nur mit ihr allein gäbe es die Lieder aber auch nicht. Wir haben uns vor vielen Jahren bewusst dazu entschieden, die Geschichte von Silly weiterzuschreiben. Glücklicherweise ist uns das gelungen und das war auch einer der letzten Wünsche von Tamara.
Würdet ihr sagen, es gibt für Künstler*innen genug Raum zur Veränderung?
Ritchie: Wenn ich unsere gesamte Sammlung an Songs und Alben, die wir produziert haben, betrachte, empfinde ich die Freiheit, die wir uns genommen haben, um neue Dinge auszuprobieren, sehr bemerkbar. Es gibt eine große stilistische Bandbreite – ohne dass das Gesamte bricht. So unterschiedlich unsere Alben auch klingen, zieht sich doch ein roter Faden durch die Bandgeschichte und Silly ist in jedem Fall erkennbar.
Nach der Zeit mit Tamara waren wir 12 Jahre und drei Alben sehr erfolgreich mit Anna Loos unterwegs, danach mit Julia und AnNa R. und nun haben wir mit Toni und Julia das nächste Kapitel aufgeschlagen. Natürlich sind wir immer noch neugierig und probieren Neues aus – ohne jedem Trend blind hinterherzurennen. Viel mehr Veränderung geht wohl kaum.
Ihr seid seit Jahrzehnten in der Musikbranche unterwegs – was hat sich seit den Anfängen von Silly verändert im „Business“?
Ritchie: Alles hat sich verändert (lacht)! Allein, als wir damals im Westen ankamen, mussten wir so viel dazulernen. Das Musikbusiness des Westens, das war etwas ganz Anderes. Das ging los bei Begrifflichkeiten, die wir nicht verstanden haben. Hier und da hat mich das auch eingeschüchtert, ich kam mir manchmal etwas blöd vor nachzufragen. Dann habe ich es gelassen. Zu der Zeit gab es in der DDR keine CD-Produktion. Das heißt, auch das war für uns eine riesige Veränderung von Vinyl auf CD. Heutzutage sind Platten wieder das ‚geile Ding‘… Mit den Entwicklungen des Streamings folgte die nächste Veränderung. Es wird haptisch an sich nichts mehr verkauft.
Julia: Ich bin seit 15 Jahren sehr engagiert aktiv für Künstler und Künstlerinnen in der Politik. Die deutsche Politik hat die Kultur in diesen letzten Jahren zur Plünderung freigegeben. Ich bin da sehr aktiv und werde nicht ruhen, bis das aufhört. Es ist überall bemerkbar: Es gibt kein Geld für Talentförderung, von der Musikindustrie sind vielleicht nur noch zehn Prozent übrig. Vor allem muss die Wertigkeit der Kunst zurückkehren – auch, dass Kultur wirtschaftlich geachtet wird. Es braucht Schutzrechte für Menschen ‚wie uns‘, für Kunstschaffende.
Ritchie: Das stimmt. An sich gab es mit jeder Veränderung in der Industrie auch immer weniger Geld für diejenigen, die die Kunst gemacht haben. Wir gehören glücklicherweise zu denen, die ein paar Säle füllen und Tourneen spielen können.
Silly ist schon immer eine politische Band bzw. eure Texte haben sich schon immer mit politischen Themen befasst. Seid ihr der Meinung, es ist auch ein Stück weit Pflicht der Kultur, Stellung zu beziehen?
Ritchie: Im Prinzip ist ja alles politisch. Alles löst Wirkung aus. Aber wir haben uns nie als Polit-Rockband empfunden. Meist müssen die Themen in uns eine Weile lagern bis sie poetisch verarbeitet werden. Es ist weniger plakativ, würde ich behaupten. Das liegt uns nicht so sehr.
Julia: Ich denke schon, dass wir eine gewisse Verantwortung haben. Wir stehen in der Öffentlichkeit, die Menschen hören uns zu. Es ist fast schon Tradition, dass man dann auch Dinge anspricht, die sich ändern müssen.
Ritchie: Wir sind tatsächlich auch eine sehr politische bzw. politisch interessierte Band. Wir diskutieren viel darüber, zum Teil auch sehr kontrovers. Zum Glück – denn es wird schwierig, wenn der Diskurs nicht mehr stattfindet.
Noch ein Ausblick in die Zukunft: Wie lange wird es Silly noch geben?
Ritchie: Solange, wie wir gesund bleiben und die Haare noch nicht grau sind! (lacht)
Das Konzert im Leipziger Gewandhaus ist ausverkauft. Für den 8. April in Zwickau sowie die Konzerte in Dresden am 22. und 23. April gibt es noch Karten. Und am 12. April spielen SILLY gemeinsam mit ROCKHAUS im Erlebnisbergwerk Merkers.
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